Wer das hier liest, bitte vorstellen, dass die Synchronstimme von Sean Connery vorliest, ja?
Also: Erster voller Tag in San Francisco und gleich ein durchgeplanter. WIr hatten im Vorfeld eine kombinierte „Alcatraz und Bier“-Tour bei SF on Tap gebucht und mussten uns für den ersten (selbst geführten) Teil um 9 Uhr am Pier 29 einfinden, von wo aus die Schiffe nach Alcatraz ablegen.
Dies bedeutete in unserem Fall ein erster Kontakt mit dem ÖPNV, genauer gesagt den Bussen hier. Ganz genau gesagt: Den Geary Rapid (38 R), den wir die nächsten Tage häufiger nehmen würden.
Dieser brachte uns dann in das Stadtzentrum.
Dort stiegen wir in die Linie F um, welche wir nach kurzer Suche auch gefunden haben. Das sind nämlich die alten Strassenbahnen in San Francisco.
Die Fahrt war etwas mühselig, denn dies ist natürlich eine der riesen Touristen Attraktionen hier und dementsprechend waren Reisegruppen (z.B. aus Italien, Spanien, Deutschland – also die „schwierigen“ Nationen) da, die das Prinzip mit „Wir drücken auf den HALT-Knopf nur dann, wenn wir aussteigen wollen“ nicht so ganz kapiert haben.
Hinzu kommen hier auch immer ein paar Leute, neben denen man nicht sitzen möchte. Entweder weil sie dreckig sind oder weil sie wirklich einen an der Waffel haben (aus welchen Gründen auch immer) und dies ausleben. Und oft kommt beides zusammen …
Aber das bleibt halt hier nicht aus und irgendwann blendet man das Leid auch (ist leider so) einfach aus bzw. arrangiert sich damit.
Egal: Wir kamen dann relativ pünktlich am Anleger an und holten unsere vorbestellten Tickets ab.
Schiffe nach Alcatraz legen hier im 20-30 Minuten Takt ab und im Sommer ist das hier bestimmt ein Tollhaus. Heute ging es und zumindest unser Schiff war auch nicht so voll.
Die meisten haben sich tatsächlich ins Innere des Schiffes gesetzt – keine Ahnung warum. Das Wetter war super und von unserem Platz (2. Etage nach vorne heraus direkt an der Reeling) konnte man super das Gefängnis sowie die Golden Gate Bridge sehen. Sowie die sich entfernende Skyline von San Francisco.
Nach etwa 25 Minuten fuhren wir neben der 1775 entdeckten, etwa 8.5 Hektar großen Insel vorbei, die zuerst ein Fort war und dann über ein Kriegsgefangenenlager ab dem 1. Januar 1934 bis zum 21. März 1963 ein Bundesgefängnis war: The Rock!
OK, machen wir nicht …
Am Anlieger wurden wir von einem Angestellten des US National Park Services empfangen, der uns einiges witziges und nützliches über die Insel und unseren Aufenthalt erzählt hat.
Da wir nur begrenzt Zeit hatten, sind wir direkt zum Zellenblock gegangen, wo man einen kostenlose (= im Schiffsticket inbegriffen) Audioguide bekommt und mit diesen durch das Gefängnis geführt wird.
Auf dem Weg kommt man an diesem Wasserturm vorbei, der noch das Grafitti der Besetzung der Insel in den 60er Jahren. 1964 und 1969 bis 1971 besetzten Indianer die Insel, um gegen die unrechtmäßige Landnahme im vorhergehenden Jahrhundert zu protestieren. Die Besetzung wurde dann vom FBI unblutig beendet. Nette Geste: Als der Turm 2012 renoviert wurde, hat der National Park Service befür gesorgt, dass entweder die Besetzer von damals oder ihre Nachkommen die Inschriften und Slogans (z.B. „Peace and freedom“) wieder aufzutragen.
Dann ging es aber weiter in den Zellenblock, wo man in der Dusche die Audioguides in Empfang nehmen konnte.
Das Ganze war, wie eigentlich der gesamte Aufenthalt, sehr gut organisiert. Wir wollen aber nicht wissen, wie das ist, wenn es wirklich voll ist.
Der Audioguide wurde, zumindest auf Englisch, von ehemaligen Insassen und Wächtern gesprochen, was sehr authentisch rüberkam und zusammen mit den Geräuschen die Stimmung sehr gut rüberbrachte.
In den 29 Jahren der Nutzung inhaftierte man auf der Insel einige der berüchtigtsten Kriminellen der USA, so zum Beispiel Al Campone, Machine Gun Kelly oder auch den deutschen Spion Erich Gimpel. Insgesamt 1.576 Häftlinge waren auf Alcatraz inhaftiert, davon nie mehr als 302 gleichzeitig. Die Gefängniswachen lebten mit ihren Familien auf der Insel; insgesamt rund 300 Zivilisten, darunter 80 Kinder.
Die Zellen waren 1,52 ×2,74 Meter groß, mit Waschbecken, Toilette und Bett. Hier hielten sich die Häftlinge zwischen 18 und 23 Stunden am Tag auf, alles andere waren Sondervergünstigungen, die nur bei guter Führung gewährt wurden – am beliebtesten war Sport im Hof.
Die durchschnittliche Aufenthaltszeit der Häftlinge betrug zehn Jahre. Sie durften nur einmal im Monat eine Stunde lang Besuch erhalten. Bei Regelverstoß wurden die Insassen in Isolationshaft genommen. Sie mussten 18 Tage in einer Einzelzelle, entweder jede Nacht mit konstanter Beleuchtung oder jeden Tag bei Dunkelheit, verbringen.
Alcatraz hatte zwei Aufgaben: Die eine war die Übernahme von Unruhestiftern aus anderen Gefängnissen, um Flucht, Gewalt und Selbstmordversuche zu verhindern. Die andere war die Übernahme von Häftlingen, um sie gebessert wieder in ein anderes Gefängnis zu schicken. Von Resozialisierung war nie die Rede.
In den 29 Jahren als Hochsicherheitsgefängnis gab es 14 Fluchtversuche durch insgesamt 34 Gefangene (darunter die bei jeweils zwei Versuchen beteiligten Joseph Paul Cretzer und Sam Shockley), aber keinen bekannten erfolgreichen Ausbruch. 25 Flüchtige wurden lebend gefasst (der zweimal gefasste Shockley und ein weiterer Häftling wurden allerdings später in der Gaskammer hingerichtet), sechs während des Fluchtversuchs erschossen (darunter Cretzer in der „Schlacht um Alcatraz“), fünf Flüchtige sind bis heute verschwunden und vermutlich im kalten Meer ertrunken. Die Geschichte, die Gewässer um die Insel würden von menschenfressenden Haien frequentiert, wurde nur zur Abschreckung verbreitet. Die einzigen Haie vor Alcatraz waren harmlose Katzenhaie.
Im Mai 1946 kamen bei der „Schlacht um Alcatraz“ drei Insassen und zwei Gefängniswärter ums Leben. Sechs Sträflinge hatten mehrere Wärter als Geiseln genommen, um mit deren Transportschiff fliehen zu können. Die Häftlinge griffen die Wächter auf ihrem mit einem Gitter gesicherten Wachgang an und versuchten an den dort hängenden Schlüssel zu gelangen. Die Wächter schafften es aber, die Schlüssel zu vernichten, sodass im Grunde genommen nur noch eine Geiselnahme möglich war. Nach mehrtägigen Verhandlungen überwältigten die zur Unterstützung der Polizei alarmierten Marines unter Einsatz von Handgranaten und Schusswaffen die Aufständischen.
Im Normalfall war das Leben allerdings sehr unspektakulär, die Häftlinge malten, spielten Musik oder lasen auch sehr viel (überdurchschnittlich viel Philisophen, Lehrbücher oder andere anspruchsvolle Literatur). Oft, wenn der Wind günstig stand, konnte man auch abends bzw. nachts den nahen Yachthafen und die Partygeräusche hören. Und an Sylvestern konnte man das Feuerwerk durch die kleinen Fenster sehen, wenn man eine günstig gelegene Zelle hatte.
Viele der Insassen sagten: Das, was sie am meisten fertiggemacht hat, war, dass das Festland so nahe war und man trotzdem nicht hinkam.
An der Decke des Speisesaales waren für Notfälle Tränengasbehälter angebracht, die allerdings nie benutzt werden mussten bzw. konnten, da sich viele Wärter des Gefängnisses zur Essenszeit im Speisesaal aufhielten und sie sich so selbst geschadet hätten bzw. nicht hätten eingreifen können. Auch hatte das Gefängnis als einziges im Land Warmwasserduschen. Durch ausschließlich warmes Wasser in den Duschanlagen sollte die Gewöhnung der Häftlinge an kaltes Wasser für etwaige Fluchtversuche verhindert werden.
Das Essen war übrigens sehr, sehr gut – auch, um Unmut unter den Häftingen zu vermeiden. Jeder konnte so viel essen, wie er wollte.
Eine sehr interessante Tour!
Draussen konnte man dann sehen, dass Alcatraz langsam von der Natur wiedererobert wird. Viele Pflanzen, Vögel und andere Tiere bevökern die Insel. Überall Möven und Pelikane und blühende Pflanzen.
Und im Hintergrund (hier hinter dem ehemaligen Paradeplatz vom Fort Alcatraz) immer wieder San Francisco.
Wirklich eine sehr gute Attraktion und durchaus ihr Geld wert.
Mit einer der häufig verkehrenden Fähren ging es dann wieder zurück. Die Biertour rufte …