Heutiger Programmpunkt: Die Große Mauer!
Vorsicht: Viele Bilder und der Bericht enthält lehrreiche Texte! 😉
Im Vorfeld hatten wir uns mit unserer Reise-Organisatorin Lancy über diesen Teil speziell unterhalten und uns dann auf ihr Anraten einen etwas entfernteren Teil der Mauer ausgesucht, auf dem man eine schöne Wanderung unternehmen kann.
Um sich auf die Wanderung vorzubereiten ist das Frühstück entscheidend. Also hat Jens zum Beispiel sein gestriges Frühstück um eine nahrhafte Komponente erweitert:
Einen der omnipräsenten Joghurts, den in Beijing gerade so ziemlich jeder trinkt.
Um 8 Uhr wurden wir dann von Peter, unserem Guide für heute, abgeholt und traten die 1 1/2 Stunden Autofahrt nach Gubeikou, wo wir für ca. 6 Kilometern auf der Mauer wandern werden. Zu diesem Zeitpunkt war uns noch nicht bekannt, dass das leider nicht den Weg zur und von der Mauer einschliesst …
Peter gab uns auf der Hinfahrt schon mal einen genauen Überblick über die Geschichte der großen Mauer oder auch „Lange chinesische Mauer“.
Die chinesische Mauer ist eine historische Grenzbefestigung (allerdings nicht die Grenze selber, sondern im Inland befindlich), die das chinesische Kaiserreich vor nomadischen Reitervölkern aus dem Norden schützen sollte. Mit ihrem Bau wurde im 7. Jahrhundert v. Chr. begonnen. Sie erstreckt sich nach neuesten Erhebungen über 21.200 Kilometer und umfasst etwa 43.000 Einzelobjekte und Standorte. Die ältesten bisher gefundenen Abschnitte sind die Große Mauer des Qi-Herzogtums in der heutigen Provinz Shandong und die Große Mauer des Königreiches Chu in der heutigen Provinz Henan.
214 v. Chr. ließ der erste chinesische Kaiser, Qin Shihuangdi, Schutzwälle errichten, die das chinesische Kaiserreich gegen Völker aus dem Norden schützen sollten. Sie bestand größtenteils aus aufeinander geschichteten Natursteinplatten.
Seitdem wurde die Mauer immer wieder aus- und umgebaut. Die Struktur wurde im Grunde genommen jedes Mal wenn die große Mauer durchbrochen wurde umgestellt. Große Durchbrüche gab es um 1449, 1550 und zuletzt 1644 durch die Mandschu (die dann auch Beijing eroberten und damit die Ming-Dynastie beendeten). Witzigerweise sind zwei dieser Durchbrüche auf menschliches Versagen zurückzuführen, denn 1449 wurde der Kaiser gefangen genommen und gab unter Zwang den Befehl die Tore zu öffnen. Und 1644 wurden die Mandschu von einem General mit Absicht in das Land gelassen, damit sie den Aufstand der Bauernarmeen niederschlugen (außerdem war noch eine Liebesgeschichte im Spiel).
Die damals erbaute Version der Mauer wurde von Peter auch als „Great Wall Version 2.0“ bezeichnet.
Während dieser Geschichtsstunde änderte sich die Landschaft draußen schon spektakulär.
Zur Verteidigung der Mauer wurden in 9 Garnisonen etwa 300.000 Soldaten stationiert. Jeder Soldat hatte die Aufgabe 3,30 Meter Mauer während seines Wehrdienstes zu errichten – dadurch wurde gemessen, wie viel eine Einheit schaffen muss. Die Mauer war also ständig im Bau. Sie wurde weitgehend aus gebrannten Steinen und zum Teil auch aus Natursteinen errichtet. Der verwendete Mörtel bestand aus gebranntem Kalk und etwa drei Prozent Klebreis, welcher heute noch hervorragend hält. Die genaue Zahl der beim Bau der Chinesischen Mauer verstorbenen Menschen ist nicht bekannt. Einige Forscher schätzen, dass es bis zu einer Million Todesopfer allein schon beim Bau der ersten Version der Mauer gab.
Die großen Tore waren strategisch an Handelsstrassen errichtet. Leuchtfeuer entlang der Strassen, auch weit über die Mauer hinaus, signalisierten wenn ein Feind in Richtung des Kaiserreiches in Anmarsch war. Man schätzt, dass durch die gute Koordination dieser Leuchtfeuer eine Nachricht über 300 Kilometer pro Stunde „schnell“ transportiert werden konnte.
Gubeikou, der Ort wo wir heute wandern würden, ist eine wichtige Passfestung der Chinesischen Mauer aus der Ming-Dynastie. Sie liegt im Südosten des gleichnamigen Ortes etwa 135 km von der Stadt Peking entfernt, und war eine wichtige Durchgangsstation von Peking nach Norden in Richtung Korea und Sibirien.
Die strategische Position von Gubeikou war durch seine Lage vor dem sehr engen und nur zu Fuß passierbaren Durchgang der Passstraße bedingt. Die Mauer wurde hier auch mit Absicht zu einem Kreis geformt: Ein eindringender Feind würde so in eine Art Kessel eindringen, aus dem er nur schwer wieder herauskommt.
Zahlreiche Schlachten wurden hier ausgefochten, vor allem nach dem 12. Jahrhundert, so zum Beispiel 1122 (Überfall der Song durch die Jin) und 1550 (Mongoleneinfall). Unter den Qing kam es zu einem allgemeinen Bedeutungsverlust der Mauer, und auch Gubeikou verlor seine herausragende strategische Stellung. Erst in den 1930er Jahren kam es wieder zu Kämpfen bei Gubeikou, als die Japaner einen Angriff der chinesischen Stellungen in Gubeikou durchführten und es nach verlustreichen Kämpfen eroberten. Heute noch sind in manchen Abschnitten zahlreiche Einschlaglöcher von Kugeln zu sehen.
So, nun noch einmal Pinkelpause und dann geht es los …
Mit dem Auto standen wir kurze Zeit später an einem unscheinbaren Fussweg. Nichts deutete darauf hin, dass hier eine Mauer sein würde …
Peter band sich ein Handtuch um den Kopf, schulterte seinen Rucksack (der, wie wir später herausfinden sollten, eine komplette Bar beinhaltet inklusive Snacks) und auf ging es einen schmalen Weg hinauf.
Nach etwa 30 Minuten und ca. 60 Höhenmetern …
Beeindruckend. Und noch sehr weit weg.
Da wir doch ein wenig am Schnaufen waren (der Joghurt war zu diesem Zeitpunkt schon verbraucht), erklärte uns Peter, dass wir hier eine Art „Nahtstelle“ zwischen zwei Mauerteilen, gebaut von zwei verschiedenen Einheiten, sehen können.
Darüber hinaus sieht man hier auch die Einschusslöcher der Japaner …
Also weiter auf die Mauer.
Und kurz danach … (kurz = 20 – 30 Minuten) …
Wir standen auf der Großen Mauer! Ein wirklich beeindruckendes Bild!
Als Alternative zu Gubeikou steht übrigens in der Regel der Mauerabschnitt bei Badaling zur Verfügung – dorthin braucht man nur 30 Minuten (oder man nimmt die Metro). Dafür stapfen dort auch am Tag etwa 10.000 Touristen herum. Wir haben den ganzen Tag vielleicht 20 gesehen und waren die meiste Zeit alleine.
Die Fotos wo Meike und Jens drauf sind sind natürlich alle von Peter gemacht und zur Verfügung gestellt worden.
Thanks Peter for the great hike and the nice pictures!
Da neben dem Joghurt nun bei Jens auch der Rest des Frühstücks verbraucht war, hat er sich hier an diesem Ausgang eines Wachturms gemütlich gemacht. Von Peter gab es noch einen Kaffee (der auch im Rucksack war) und er ging dann mit Meike noch ein Stück weiter in Richtung Osten. Dort konnte man noch zwei weitere Wachtürme besichtigen, bevor die Mauer wegen eines Militärgeländes gesperrt ist.
Der letzte Turm wurde nur noch durch Stützen aufrecht gehalten.
Und mit Meike wurde dann eine Art Photoshooting gemacht – mit schönen Ergebnissen!
Und dann gingen beide wieder zu Jens zurück. Der hatte sich in der Zwischenzeit erholt, bewachte die Mauer gegen einfallende Tartaren (erfolgreich – keiner durchgekommen) und genoss die Ruhe. Auf der Mauer in der Sonne und die einzigen Geräusche, die man hört, sind Vögel und Zirkaden. Magisch!
Das mit der Ruhe war für Jens natürlich vorbei, als diese Foto-wütigen Toursten kamen und einen einfach wecken … 🙂
Wieder zu dritt ging es die Mauer nach Westen mit malerischen Bildern links und rechts des Weges.
Auf dem letzten Bild kann man ganz im Hintergrund drei Wachtürme sehen – der linke davon war unser Ziel.
An Teilen der Mauer konnten wir auch die verschiedenen Materialien erkennen, mit denen die Mauer gebaut wurde. Außen die Steine, innen das Füllmaterial.
Die Wanderung wurde immer wieder von Peter, dem wandernden Lexikon (er macht das ca. 20 Mal pro Monat) über die Große Mauer, unterbrochen um uns was zu zeigen, zu erklären oder uns mit seinen Snickers zu füttern.
Nach etwa 3 Stunden kamen wir an unserem Ziel an und erkannten, wieso Peter diesen Turm als Ziel ausgewählt hat: Man kann auf das Dach und hat einen wunderbaren Ausblick.
Und natürlich für Fotos von den Wanderern selber …
Ein letztes Detail noch: Alle 1000 Steine (wenn wir das richtig verstanden haben) wurde ein Stein mit einem Siegel versehen, anhand dessen man erkennen kann, welche Einheit diesen Abschnitt gebaut hat. Eine Art QA-Maßnahme vor 600 Jahren …
Übersetzung von Peter.
Von diesem letzten Turm ging es zurück ins Tal und zum Auto. Mit dem Auto sind wir dann noch in ein nahes Dorf gefahren, wo wir in einem Farmers Restaurant zu Mittag gegessen haben. Die Regierung unterstützt die Landbevölkerung, solche Angebote zu machen (Restaurant + B&B) und man kann so die einfache Landküche kennenlernen.
Nach der Wanderung waren wir übrigens der Meinung, dass wir uns ein Bier verdient haben …
Und dann gab es, da das Frühstück ja bekanntlich schon lange weg war und die Snickers nicht genug Abwechslung geboten haben, ein beeindruckendes Essen mit Tofu in Knochenmark-Soße, Nudeln mit Gurke und Soße, fritiertes Gemüse und (als Touristen-Fallback, falls man die ersten Dinge nicht mag) irgendwas süß-sauer.
Bis auf das Touristen-Zeugs haben wir alles aufgegessen.
Und dann ging es auch wieder zurück nach Beijing, wo wir nach einer erneuten Fahrt von knapp 1 1/2 Stunden wieder angekommen sind.
Was für ein Tag! Knappe 13 Kilometer gewandert (Jens etwas weniger), 200 Bilder gemacht, 140 Höhenmeter, müde Füße, nassgeschwitzte Hemden und stinkige Socken. Aber diese Bilder werden bei uns noch lange im Kopf bleiben!