Die Nacht war für Jens ein echter Alptraum. Irgendwie hat sein Magen das gestrige Essen überhaupt nicht vertragen, wobei es aller Wahrscheinlichkeit nicht am Essen selber, sondern an dem Magen-Darm-Virus lag, den er sich in Kapstadt eingefangen hat. Unsere Gastgeberin meinte auf jeden Fall, dass bei fast allen Gruppen, die die letzten Tage aus Kapstadt nach Franschhoek kamen, mindestens eine Person was mit dem Magen hatte.
In unserer kleinen Herde hat es also Jens getroffen.
Im Voraus hatten wir uns überlegt, was wir in Franschhoek machen wollen und dabei ist vor allem Jens eine Sache ins Auge gefallen: Hier gibt es eine Straßenbahn! Gut, sie fährt nur 3 Stationen aber dafür sind überall Weingüter. Das Ganze nennt sich „Franschhoek Wine Tram“ und das hatten wir gebucht.
Über die Sache, dass Jens die Tram am falschen Tag gebucht hatte und sie noch einmal umbuchen musste, hüllen wir den Mantel des Schweigens.
Die Franschhoek Wine Tram ist eine touristische Straßenbahn die 2012 gegründet wurde und für den Weintourismus genutzt wird. Mit der Tram und vor allem die damit verbundenen 5 Linien, die von Bussen betrieben werden, wird die Besichtigung von Weingütern in der Umgebung ermöglicht und genau das wollten wir machen.
Im Voraus wollten wir eigentlich die goldene Linie nutzen, die war dann allerdings ausgebucht. Also wurde es die blaue Linie, wo wir 2-3 von insgesamt 6 Weingütern entdeckten, die uns interessieren sollten. Das Konzept ist so gedacht, dass man zu einer vorgebuchten Abfahrt entweder zuerst mit der Tram oder dem Bus fährt. Die Tram fährt im 30 Minuten Takt und die Busse in der Regel alle Stunde. Und dann funktioniert das wie eine HopOn-HopOff-Tour – man steigt aus, bleibt eine Stunde bei einer (nicht im Ticket inkludierten) Weinprobe und fährt dann zum nächsten Weingut.
Schon beim Einsteigen merkten wir, dass hier auch der beziehungsweise die eine oder andere Wirkungstrinker(in) am Start waren.
Dann wurde Jens, dem es immer noch flau im Magen war und der heute erst einmal kein Alkohol trinken wollte, der Zugang zum Oberdeck der Tram verweigert. Dementsprechend mürrisch setzten wir uns unten in die an die Trams in Blackpool in England erinnert Wagen und harrten der Dinge, die kommen sollten.
Da half auch das Glas Rose nicht, was wir bekamen. Also Jens nicht, der das Glas erst einmal an Meike weiter reichte.
Die nette Dame vom Unternehmen mit ihrer ansteckenden Art brachte dann aber gleich Schwung in die Bude und so konnte selbst Jens nicht lange grummelig bleiben.
Und die Fahrt war langsam, aber sehr schön. Im Schneckentempo ging es durch das Tal in Richtung Nord-Westen, fast bis zu den Leau Estates, wo wir gestern das Abendessen eingenommen haben.
Im Gegensatz zu den anderen Gästen stiegen wir aber nicht direkt aus, sondern fuhren eine Haltestelle weiter und damit zurück. Und stiegen dann dort aus.
Wenn die Weingüter nicht nahe genug an der Tram oder dem Bus liegen, wird man auch über die manchmal recht großen Weingüter bis zum Tasting chauffiert. So wie hier bei unserem ersten Stop auf dem Weingut Grande Provance.
Leicht durchgeschüttelt kamen wir an diesem echt wunderschönen Weingut an und gingen durch den angenehm leeren Garten zum ebenfalls angenehm leeren Tasting-Bereich.
Neben den reinen Wein-Tastings bieten manche Weingüter auch andere Dinge an. Eine vollständige Liste, was welches Weingut anbietet, bekommt man auf der Seite der Weintram und kann sich so den Tag quasi zusammenstellen.
Die Austern waren zwar verlockend, aber Jens wollte hier kein Risiko gehen und bat auch um ein „Spit bucket“. Alkohol wollte er frühestens erst wieder am Abend trinken, wenn überhaupt.
Die Weine, wir hatten einmal das Angels Tears und das Flagship Tasting, waren durch die Bank solide und im Falle vom TGP Red sogar echt sehr gut. Es gibt hier auch Weine, die in Amphoren liegen, was dem Wein einen besonderen Geschmack geben soll. Haben wir probiert, stimmt mit dem „besonderen Geschmack“, ist nur absolut nicht unserer.
Mit dem Traktor beziehungsweise dem Anhänge an diesem ging es zurück zur Tram.
Und jetzt konnte der Bahn-Nerd (keine Reise ohne Eisenbahn!) sich austoben, denn oben war genug Platz.
Da ist der dicke Onkel aber zufrieden …
Die Aussicht war auch echt schön, das Wetter war sonnig aber nicht zu warm – ein perfekter Tag in einer Weingegend.
Am Ausgangspunkt wieder angekommen, wurden wir auf einen Bus verteilt. Die Busse fahren alle andere Linien, was bedeutet, dass man hier auf die 4-5 Weingüter der jeweiligen Linie festgelegt ist. Unserer Ansicht sollte man vorher schauen, was man sich anschauen will (die High-End Weingüter, die Weingüter mit guten Touren, die kleineren Weingüter mit besonderen Weinen, etc.) und die Tour danach aussuchen.
Wir waren mit unserer Wahl zufrieden, denn über die Straße ging es rasch zu unserem nächsten Weingut, was wir uns vorab ausgesucht hatten.
Das Weingut „Eikehof“, also „Eichelhof“
Ein sehr, sehr kleines Weingut, fast schon familiär zu bezeichnen. Mit uns stiegen vielleicht 4 weitere Personen aus und im Garten hinter dem Haus saßen vielleicht noch einmal 2-3 Leute. Es war angenehm ruhig, idyllisch und sehr entschleunigend.
Auch hier bestellten wir zwei Tastings nur ergänzt durch eine Käse und Wurst Platte mit lokalen Käse und ein paar Würsten, die dann auch bald kamen.
Natürlich auch mit Biltong.
Biltong, abgeleitet vom niederländisch „bil“ für Keule und „tong“ für Zunge ist ein Trockenfleisch der südafrikanischen und namibischen Küche. Es besteht aus luftgetrocknetem Rindfleisch oder Wildfleisch und ist hier so verbreitet wie Chips und Schokoriegel.
Unser Kellner, Aunwa, der übrigens aktuell Deutsch lernt und froh war ein paar gelernte Sätze anwenden zu können, führte uns durch unser Tasting. Spannend war hier, dass es über 110 Jahre alte Reben der Semillion Traube gibt, die noch geernet und zu einem Wein verarbeitet werden. Die Menge ist nicht redenswert aber es war spannend diesen Wein mit einem Semillion aus neueren Rebstöcken zu vergleichen. Was selbst Jens gelang, obwohl der Schluckreflex immer großer wurde.
Aber selbst der super leckere Shiraz wurde verkostet und dann ausgespuckt. Sogar ohne Flecken zu hinterlassen.
Die Tastings sind in der Regel so konzipiert, dass man in den zu Verfügung stehenden 60 Minuten bis zum nächsten Bus bequem tasten und bezahlen kann. Wir genossen aber den schönen Platz so sehr, dass wir 2 Stunden hier verbringen wollten, was natürlich kein Problem war. Zu schön war dieser Ausblick und der kleine Rasen, auf dem Mensch und Tier einfach das schöne Wetter genossen.
Aunwa meinte noch, dass wir auch einen kurzen Spaziergang zu den alten Rebstöcken machen sollten. Auf dem Weg sollte es auch noch ein paar Tiere geben. Na, das ließen wir uns doch nicht zweimal sagen.
Echt eine schöne Gegend hier.
Tiere waren dann diese Springbocks, die etwas entfernt grasten.
Und ein Strauß, der zuerst ebenfalls weit weg war. Nachdem wir uns ein bisschen bei den Rebstöcken umgeschaut hatten, bemerkten wir allerdings, dass er (oder sie? Keine Ahnung?) direkt am Zaun stand und uns anstarrte.
Und so ein Strauß ist schon echt, echt furchteinflößend.
Erst recht, wenn man mit einem Blick wie diesem taxiert wird.
Die Krallen am Fuß, mit denen ein Strauß übrigens ohne Probleme einen Menschen schwer verletzen können, ließen uns den Rückzug antreten. Und langsam wurde es auch Zeit für den Bus.
Hier merkte gerade Jens aber, dass er nicht fit war und so beschlossen wir die Tour an dieser Stelle abzubrechen. Im Bus trafen wir dann auch die eingangs erwähnten Wirkungstrinker wieder, wie diesen Herr, der eine ganze Weile versuchte seine Frau zu fotografieren. Was nicht so gut klappte.
Uns ging es gut (Jens hatte ja auch nichts alkoholisches getrunken) und deswegen fuhren wir auch mit dem geparkten Auto zurück zum Guest House auf der Lavender Farm.
Die Weintram ist eine coole Idee, viel Tiefgang sollte man aber nicht erwarten. Aber es macht Spaß und wenn man nicht 4-5 bestimmte Weingüter anfahren möchte und keine passende Route dazu hat, dann ist es auch sehr angenehm herum kutschiert zu werden.
Für uns ging es dann aber zurück aufs Zimmer, etwas für das Abendessen ausruhen.