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Fyn, Kapstadt

Für den ersten richtigen Tag in Kapstadt hatten wir uns ein angemessenes Ende vorgenommen. Südafrika selber gilt schon seit langem als ein Hotspot für gehobene Küche oder „Fine Dining“, wie man das nennt. Gute Köche hatte Südafrika schon immer, nur wird seit einigen Jahren auch von Investoren bemerkt, dass man damit Geld machen kann und das sogar im eigenen Land. Es entstanden ganze Gastro-Gruppen, die sich auf gehobene Küche und Klientel spezialisiert haben und auch deswegen war das Land auf unserer Liste gelandet. Nicht der einzige Grund aber durchaus ein für uns wichtiger.

Bei der Suche nach einem Restaurant für diesen ersten Abend stach bei der Recherche immer wieder eines heraus und am Ende wurde es dieses auch: Das Fyn – ausgesprochen „fain“ – was 2018 im fünften Stock einer Seidenfabrik aus dem 19. Jahrhundert eröffnet wurde und sich in der globalen Gastronomieszene allmählich einen Namen gemacht hat. Im Jahr 2022 wird es zum ersten Mal in die Liste der 50 besten Restaurants der Welt aufgenommen und erhält dabei die Auszeichnung „Bestes Restaurant in Afrika“.

Der renommierte südafrikanische Koch und Gastronom Peter Tempelhoff eröffnete das Lokal, unterstützt von der französischen Geschäftsführerin Jennifer Hugé und Küchenchef Ashley Moss. Das erfahrene Trio hat den Aufstieg des Restaurants und seine sich ständig weiterentwickelnde Philosophie seit der Eröffnung geleitet.

Und jetzt kommen wir … 😉

Ein sehr guter Sitzplatz bot einen Blick auf den Tafelberg hinter dem die Sonne schon untergegangen war. Außerdem dominiert im Raum eine Kochinsel in der Mitte, auf der die kalten Speisen sowie der Nachtisch angerichtet wurde.

Die Show begann und als erstes wurde uns, es gibt hier nur ein Menü allerdings mit ein paar Optionen zur Anpassung, erst einmal das Fleisch zum Hauptgang vorgestellt.

Also nicht beim Namen, sondern wir konnten uns das Tier auswählen, was wir Essen wollen. Unser wirklich sehr netter Kellner legte uns den Springbok ans Herz und im Zweifelsfall sagen wir ja immer: Dem Fachpersonal ist Folge zu leisten!

Vorab beziehungsweise zum Knabbern nebenbei gab es dann direkt mal was, was unsere kleinen japanischen Foodie-Herzen höher schlagen lies: Asazuke, eine Art Tsukemono! Tsukemono sind leicht eingelegte japanische Essiggurken, die zu Reis und Misosuppe serviert werden. Sie sind knusprig und schmecken appetitlich sauer und süß-säuerlich. Und Asazuke sind dann andere Gemüse mit einer etwas kürzeren Einlegezeit.

Perfekter Essensbegleiter, so einfach und doch so gut. Muss halt nicht immer Brot und Butter sein und passte in diesem Ambiente hervorragend!

Sogar Jens war zufrieden und konnte sich zu einem Lächeln durchringen.

Die Bestellung war wie immer „Menü plus Weinbegleitung“, auch, weil man hier nur südafrikanische Weine reicht und wir uns ja auch davon ein Bild machen wollen in diesem Urlaub. Und, ehrlich gesagt, Riesling haben wir zu Hause genug und müssen nicht nach Kapstadt fliegen, um einen Wein von Dr. Loosen zu trinken, der ja immer auf Weinkarten steht.

Zu den Grüßen aus der Küche gab es dann Claudia!

Jens musste sich hier beherrschen nichts von einem Schäferhund zu erwähnen, was aber dann kein Problem war, als der dazu gehörende Gang gereicht wurde. Der war nämlich der Hammer!

An den Tisch kam ein Tablett mit dem Brioche-Knubbel auf einem Podest. Uns wurde gesagt, dass wir das Brötchen herunter nehmen sollen und das Podest entpuppte sich als kleines Gefäß, was umgedreht wurde und eine gebrannte Creme zum Vorschein brachte.

Das Ganze war eine sehr fein passierte Pilzcreme mit Zucker abgeflämmt. Dazu eben ein Brioche-Brötchen. Einfach und doch hervorragend. Eine mehr als gelungene Alternative zu den üblichen Gänseleber-Gängen, sehr gut präsentiert und sehr gut gemacht. Spätestens hier wussten wir: Das wird ein guter Abend.

Als nächstes konnten wir unsere Sake-Gläser aussuchen. Ja genau: Uns wurde ein Korb mit verschiedenen Gläsern präsentiert und wir durften uns eines davon nehmen. Jeweils von unserem Kellner kommentiert mit „Ah, I understand …“ und meinte noch, dass er kurz in die Küche müsste, um sie von unserer Entscheidung ob der Farbe der Gläser zu informieren.

War nur Spaß, zeigt aber den erfrischend offenen und lockeren Umgang hier. Es war zwar etwas laut im Restaurant, was durch die hohen Räume noch einmal verstärkt wurde. Aber irgendwie passte es auch genau hier hin, denn überall wurde gelacht, gequatscht und einfach genossen. Im Falle von Meike als zertifizierter „Geschirr-Nerd“ sogar über sowas profanes wie ein Sake Becher.

Zu den Grüßen gab es dann sowohl einen Kagatobi Gokkan Junmai Sake (wir konnten unser Restwissen über Polierungsgrad zum Besten geben) und ein Sylvaner aus Stellenbosh.

Und dann die Speisen, der Hammer! Beginnend mit einem Yellowfin Thun mit einem Hartkäse von der Kap-Halbinsel. So fest, so saftig und so voller Umami! Ungaublich!

Hamachi vom Cape Malay mit Granatapfelkernen und einem überraschend kräftigen Kokosnus-Curry. Und kleinen Kokosnus-Tupfen darauf.

Von den dreien der Teller, der uns am wenigsten zusagte, weil Granatapfelkerne immer so den Mund ausfüllen mit ihrem Geschmack.

Das Highlight aber war eine Zutat, die wir generell eher seltener Essen: Abalone, im Deutschen auch Seeohren genannt. Eine Schnecke, die in allen wärmeren Meeren der Welt vorkommt, aber uns irgendwie nie so richtig mitgerissen hat. Hier aber in eine wahre Götterspeise verwandelt: Hauchdünn geschnitten mit Spinat-Tempura und eine Wakame Miso darunter.

Ein Gang wie aus einem dieser Gourmet-Ryokans, einfach, auf ein Produkt fokussierend und doch voller Textur, Aroma und Komplexität am Ende durch eine super leckere Miso.

Wir kamen hier richtig ins Schwärmen und fühlten uns echt nach Japan versetzt. Was für ein machtvolles Gericht!

Als ob der Show-Anteil zu kurz gekommen wäre, gab es dann direkt das nächste Highlight. Beobachtet hatten wir es schon an anderen Tischen des inzwischen vollen Restaurants, jetzt waren wir dran: Wagyu aus der Karoo auf einer Ochsenherztomate mit einer Kombu Salsa und Shiso. Die Idee aus Kombu eine Salsa zu machen ist sehr frei gedacht und zeigt, dass hier nicht nur ein kulinarischer Stil verfolgt wird, sondern eher versucht wird das zu kombinieren, was eben passt. Auch wenn eine Salsa jetzt eher nicht so japanisch ist.

Das Essen kam jedenfalls an den Tisch und wir wurden gebeten nichts zu machen. Was schwer war. glücklicherweise kam Sekunden später ein weiterer Kellner mit zwei Stücken Bituchan-Kohle. Die dann jeweils auf unser Wagyu gelegt wurde, um so final noch ein paar Röstaromen zu erzeugen, aber vor allem, um uns mit einem Geruch zu foltern, der das Wasser im Mund zusammen laufen ließ.

Dies war die Remineszenz an den Volkssport der Südafrikaner: Braai, also das gemeinsame Grillen. Perfekt umgesetzt, wie wir finden.

Das Fleisch war perfekt, bei Jens war die Tomate etwas zu dick und erzeugte dazu seiner Meinung nach zu viel Säure. Was er auch als Feedback an die Küche gab und das blieb auch am Ende die einzige Kritik, wenn man das überhaupt so nennen mag.

Wir waren sehr, sehr zufrieden mit unserer Wahl!

Den nächsten Gang kennen wir, denn ein Chawanmushi machen wir auch oft selber. Chawanmushi ist eine japanische Variante von Eierstich, die in der Regel als Vorspeise gegessen wird. Die Grundlage bildet eine oft mit Sojasauce, Dashi, Fischflocken und Mirin gewürzte Eimischung, die gequirlt und anschließend gedämpft wird.

Hier in der Gourmet-Variante mit Rock Lobster von der Westküste Afrikas. Garniert war das Ganze mit gebranntem Kombu-Pulver.

Wir haben das so schnell aufgegessen, dass wir gar kein Foto machen konnten. Das war so ein Gang wie das Suasaat in Grönland, wo man mit dem Löffel reingeht und einfach schaufelt. Und irgendwann merkt, dass alles weg und man selber zufrieden ist.

Zum nächsten Gang durften wir mal wieder die Hilfsmittel aussuchen.

Chokka, auch als Cape-Hope-Tintenfisch bekannt, ist ein 20-30 cm langer Tintenfisch, der wie der Name schon sagt hier beheimatet ist. Hier wurde er roh und nur leicht mariniert mit Sesam-Aromen und Kaviar aus Madagaskar („düd-düd-düdülüddüd Afro Zirkus …“ – sorry, Jens Hirn arbeitet manchmal merkwürdig) gereicht. Der Kaviar aus Afrika war leider nicht gekommen und so wurde auf Kaviar aus Polen umgeschwenkt. Auch gut, hätten wir aber eh nicht gebraucht – denn der Tintenfisch und das Sesam-Dressing wirkten schon gut genug zusammen.

Nächster Gang war dann Lamm, Kürbis in fester Form und als Creme und dazu Kürbiskerne sowie eine Minz-Gremolata. Ein herbstliches Gericht, was ja auch Sinn macht, da hier ja gerade in den Herbst übergegangen wird.

Einfach ein Gang zum Wohlfühlen. Technisch vielleicht nicht so verspielt wie die Gänge zuvor, aber halt ein Wohlfühlgang wie er im Buche steht.

Etwas japanischer, also wieder auf ein Produkt fokussiert, war dann der Kingklip. Der aalartige Bodenfisch lebt an den Küsten Südafrikas und Namibias in 50 bis 500 Metern Tiefe.

Hier mit etwas Tempura, See-Spargel und anderen kleineren, teilweise eingelegten Blättern aus dem Meer.

Sehr fein, sehr lecker und sehr gut gemacht.

Hier haben wir übrigens, nur als ein Beispiel wie hier der Service aussieht, mit unserem Kellner begonnen in einer wirren Mischung aus English, Niederländisch, Japanisch und Deutsch zu sprechen. Er will nämlich von jedem Gast ein neues Wort in der Landessprache des Gastes lernen und hat uns gebeten, dass wir uns ein Wort aussuchen. Im Idealfall was lustiges oder eine Beleidigung waren seine Vorgaben.

Und wenn jemand nach uns nach Kapstadt ins Fyn kommt und als „Fiese Möpp“ bezeichnet wird, das waren dann wir Schuld.

Jetzt war es also Zeit für den Hauptgang. Und auch das wurde wieder zelebriert, zuerst über den Wein. Auch wieder als Beispiel, weil wir natürlich viel nachgefragt haben und zu fast jedem Wein mehr erzählt bekommen haben, als das der gewöhnliche Gast vermutlich möchte.

Das Motto des Weines ist ein Zitat von Albert Einstein und lautet „Blinder Glaube an Autoritäten ist der Feind der Wahrheit“ und soll die Entwicklung der Rebe „Pinotage“ symbolisieren. 1925 wurde durch die Kreuzung von Pinot Noir mit Cinsaut diese Sorte erschaffen. Und ja, dieses Jahr wird die Traube 100 Jahre alt. Die Winzer des Weingutes „Orpheus & the Raven“ gingen mit diesem Wein ein kleines Wagnis ein, denn für den Wein werden Trauben aus 7 verschiedenen Lagen verwendet, die sonst eher mittelprächtige Ergebnisse bringen. Zusammen – und das gilt auch als Symbol für Südafrika als Land – ergaben die Trauben aus diesen „Lucky 7“ einen geblendeten, sehr kraftvollen Wein. Und dieser wird jetzt zu unserem vorher selektieren Springbok gereicht.

Ach ja, das passende Werkzeug durften wir uns auch wieder ausssuchen.

Und da war es dann auch schon: Perfekt gebraten mit einer Nusskruste, Feige, Porcini, den Blättern der Prenia (einem sogenannten Mittagsblumengewächs, was in Nambia und am Cape wächst) und einer Khakibos-Sauce.

In mehr als einem Sinne des Wortes „Go Bokke!“ Ein Hauptgang der quasi „Südafrika“ in unserem Mund brüllt und doch fein, gut abgeschmeckt und dem Restaurant und dem Niveau angemessen. Wir genossen jeden Bissen!

Zum Nachtisch dann nochmal eine kurze Erinnerung daran, dass auch viele Deutsche hier ihre Spuren hinterlassen haben: Ein Riesling namens „Edelspatz“.

Na gut, über die Namensgebung kann man sich streiten, aber es passte zum Sorbet, dem Erdbeer- und Grüne-Tee Gel und der Mochi-Decke. Letztere war auch so ein Ding: Man stelle sich einen Mochi-Ball vor, den man nur breit gerollt hat und einfach als Decke über den Nachtisch legt. Und verbindet so die vielen Komponenten darunter miteinander.

Auch wieder: Simple Idee eigentlich, wenn man nur darauf kommt.

Zum Abschluss ein Espresso für Jens und zwei kleine Wagashi, also japanisches Konfekt, für uns beide.

Also … dachten wir zuerst. Denn dann kam dieser Baum an unseren Tisch und es wurde noch mehr Konfekt.

Und weil wir leichtsinnigerweise gesagt haben, dass diese kleinen, grünen Dinger super lecker waren gab es sogar noch Nachschlag.

Spontan zu sagen „Aber die Abalone war so lecker“ und so nochmal an diesen Gang zu kommen, haben wir uns aber nicht getraut.

Und so endete der Abend im Fyn. Das Restaurant leerte sich langsam, es wurde aufgeräumt und auch wir machten uns dann auf den Weg.

Was bleibt hängen? Einfach „nur“ ein fast perfektes Abendessen: Beginnend bei der Location, der Aussicht, der Einrichtung, den Tellern und Tassen oder auch so simplen Sachen wie den sehr bequemen Stühlen. Weiter über den Service, die gehörten Geschichten, die Art wie auch zwischen dem Personal kommuniziert wurde und wir in der offen einsehbaren Küche gearbeitet wurde. Und dann natürlich zuletzt das Essen, was genau in unsere bevorzugte Richtung geht: Japanische Küche, japanische Techniken mit einem starken Bezug zum Land, in dem man gerade ist. Gerade dieser Fusion-Gedanke wurde auch immer wieder Teil der vorher genannten Geschichten, die wir zu hören bekamen.

Alles zusammen ein Abend, den wir vermutlich sehr, sehr lange noch im Herzen tragen werden.

Welcome to Africa!

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