Neues Jahr, gleiche Leidenschaft. Auch in 2025 wollen wir uns auch wieder lecker Essen gehen und dies auch ab und zu auf hohem Niveau „Fine Dining“ nennt man sowas ja und bereits Ende Januar sollte der erste von hoffentlich noch mehreren Restaurant-Besuchen stattfinden. Dazu sind wir am Samstag Nachmittag mit dem Auto in Richtung Bergisches Land, genauer in Richtung Velbert unterwegs. Auf dem Weg trafen wir „Timmy´s Bierbude“. Neben dem Deppen-Apostroph eine nette Idee, so quast eine mobile Kneipe.
In Velbert angekommen bezogen wir unser Zimmer und bekamen dann kurz danach schon eine Nachricht von Susanne, die das Zimmer nebenan bezogen hat. Dieses Mal würden wir nämlich wieder mit Susanne und Jan gemeinsam das Abendessen genießen wollen, denn in das heutige Restaurant waren die beiden schon öfters und kennen den Inhaber ein bisschen.
Durch die mobile Kneipe angeregt, begaben wir uns dann bald zu einem ersten Getränk in die lokale Systemgastronomie. Dort ein lokales Alt bei Jens, ein paar andere Getränke bei Meike, Susanne und Jan.
Das angebotene Essen schlugen wir aus, da wollten wir uns doch den Magen nicht unnötig füllen.
Unser Hotel, das Stüttgens Hotel, bietet je nach Verfügbarkeit einen Shuttle Service zu unserem heuten Abendessen an. Dies klappte aber heute Abend nicht, was aber am Ende kein Problem war, da Susanne und Jan mit zwei Autos angereist waren und so am nächsten Morgen das Auto selber abholen konnten. Und so standen wir nach etwa 10 Minuten Fahrt am Haus Stemberg. An einer dunklen und recht einsamen Landstraße und in einem absoluten Funklochgelegen und eher wie ein „normales“ Gasthaus aussehend.
Die Auszeichnungen dagegen machten klar, dass es hier doch etwas gehobener zugehen dürfte.
Zitat aus dem Guide Michelin: „Seit 1864 sind die Stembergs hier am Ruder. Sascha Stemberg ist Küchenchef in 5. Generation und das mit ebenso viel Herzblut und Engagement wie zuvor sein Vater! Das ganz eigene Konzept lässt Platz für Variabilität, so serviert man Ihnen ein 4- bis 6-Gänge-Menü, aber auch Gourmetgerichte à la carte. Besonders interessant wird es, wenn Tradition ins Spiel kommt und Speisen mit bürgerlicher Basis auf hohem Niveau umgesetzt werden.“
Und so sah es auch schon beim Reinkommen aus: Tradition, Gut-Bürgerlich im besten Sinne. Und dennoch das Gefühl, dass hier eben doch auch gehobene Küche quasi gefeiert wird. Unser Platz in einer recht modern eingerichteten Ecke des Gastraums bezogen wir schnell und auch die Menüauswahl war kurz danach erledigt. Spannend ist hier, dass es sowohl ein Degustations-Menü gibt, der Gast aber auch aus einem á la carte-Menü aussuchen kann. Der Tausch von den Fisch- und Meeresfrüchte-Gängen bei Susanne war auch kein Problem, der nette und recht direkte Service nahm alles auf. Und um einen Spruch war man hier auch nicht verlegen.
Halt eine sehr spannende Kombination aus Gasthaus und „Fine Dining“.
Letzterer wurde dann von Jens sogar vorab in den Fokus gerückt, denn auf der Karte standen 6 Gillardeau Austern als „Vorneweg“ zur Auswahl. Und da ja bekanntlich die „Unter-Austerung“ eine echte Bedrohung darstellt …
Angenehm, dass hier eh keine Mignonette, kein Tabasco und kein sonstiger Schnick-Schnack dabei gereicht wurde. Es gab puristisch Zitrone und sehr schöne Austern.
Jan hatte auch noch ein schönen 2 Jahre trocken gereiften Schinken vom Bunten Bentheimer aus einem Hof der Umgebung.
Danach dann die Grüße: Begonnen mit wieder sehr puristischem Lachs-Tartar, Rettich und Schnittlauch sowie einer kleinen Fleisch-Praline für Susanne …
… gefolgt von zwei sehr wärmenden und sehr leckeren Suppen: Einer Kürbissuppe (rechts mit Kürbiskernöl) und eine Spitzkohlsuppe (links mit Schnittlauchöl).
Beide sehr lecker, sehr gut gewürzt, sehr wärmend. Eine schöne Idee und angesichts der kalten Temperaturen eine gute Sache.
Das war jetzt natürlich nicht so eine „Gruß aus der Küche“-Arie wie in anderen Sterne-Küchen, aber am Ende ist es nun einmal für uns immer so: Schmecken muss es!
Etwas kreativer dann der erste Gang: Salzwassergarnele, einmal gegrillt (links an der Ecke) und einmal roh mariniert quasi als Carpaccio. Dazu eine Vinaigrette mit Limette, eine Nocke aus Creme Fraiche und Gurke sowie zwei kleine Chili-Streifen. Als krosse Textur gab es noch zwei kleine Stücke Krabbenchips, welche hervorragend mit der Gurke und dem roh marinierten Garnelen harmonierte.
Immer noch recht einfach von der Zusammenstellung her, aber doch super lecker.
Danach gab es einen Gruß aus der See: Skrei, also Winterkabeljau, und Miesmuscheln aus der Nordsee. Dazu ein Püree aus Blumenkohl und Mandarine. Ein Safran-Muschelsud rundete den Gang hervorragend ab.
Wir sagen ja immer: An den Saucen erkennt man auch eine gute Küche. Und die waren beim Fisch-Gang und auch bei dem folgenden Gang sehr gut! Denn nun folgte eine Variante der Kässspätzle mit selbst gemachten Fregola aus dem Sauerteig nach einem Rezept des aus dem WDR bekannten Koch Lars Middendorf. Dazu ein Vacherin Schaum und hervorragend passende, schöne Säure verbreitende rote, marinierte Zwiebeln. Gekrönt, wie so oft, mit Trüffeln, die auch hier eher schmückendes Beiwerk waren.
Ein sehr wärmender Gang, sehr wohlig von der Aromenwelt her. Und die Zwiebeln verschafften dann einen kleinen Kick im Mund – sehr cool!
Als „kleine Erfischung“ wurde dann ein Sorbet gereicht, um den Mund auf den Hauptgang vorzubereiten.
Und der sah aus wie eine Kombination aus einem Sterne-Essen (was es nunmal auch war) und einem Teller bei den Großeltern. Entenbrust, Püree vom Muskatkürbis, ein hervorragender Gewürzjus, eine kleine Zwergorange, ein Bitter-Salat (Tardivo) und eine kleine Creme aus der Entenleber.
In der Kombination sehr klassisch, sehr gelungen, sehr rund. In der Ausführung, dem Handwerk klar, präzise und sauber. Und vom Geschmack her … einfach nur lecker.
Wir meckern ja oft über die Hauptgänge bei den Gourmet-Menüs, wo oft entweder viel zu verspielt und kleinteilig gearbeitet wird oder man eben einen klassischen „Fleisch + Gemüse + Stärke + Sauce“ Teller vorgesetzt bekommt. Kann auch lecker sein, passt aber oft nicht zu dem übrigen Menü. Und genau das war hier anders, denn bislang hatten wir nirgendwo einen so klassischen Teller, der genau zu dem Menü und genau an diesen Ort passt.
Zufrieden gab es dann den Käsegang, den Jan und Jens mit den Worten „Macht mal wat leckeres“ bestellten. Susanne und Meike zogen da doch lieber die dem Gouda aus der Käsetheke ähnlichen Hartkäse vor. Für alle wurde was gefunden und an den Tisch gebracht.
Leider haben wir uns wieder mal nicht gemerkt, was dort dargereicht wurde. Schade, denn mehrere der Käse, die von Waltmann aus Erlangen affiniert wurden, waren sehr lecker.
Bevor der Nachtisch kam, ging es auch mal kurz auf die Toilette. Auch hier wieder diese Kombination aus „Edel“ und „Gurbürgerlich“, denn obwohl das Interieur als auch die Ausstattung war sehr gehoben. Die Tür in Richtung Toilette dagegen … war wie aus einer alten Eckkneipe in Gummersbach.
Der letzte Gang dagegen pendelte wieder in Richtung gehobene Küche: 70% Schokolade mit Marone, Quitte, Zimt und kleine Cassis-Kekse. Oder Cassis-Schaum-Dingsis, so ganz genau haben wir das nicht herausbekommen.
Aber lecker war es!
Und damit war das Menü auch schon beendet, der Raum hatte sich in der Zwischenzeit auch etwas geleert und wir ließen uns ein Taxi rufen. Ein paar Pralinen gab es noch dabei und …
… nun … Platz für ein Digestif war dann bei Jens auch noch. Auch, weil es einen Armagnac aus seinem Geburtsjahr gab. Wann hat man schon einmal das Glück, sowas auf der Karte zu einen angenehmen Preis zu finden.
Das Taxi brauchte noch etwas länger und daher gab es noch einen zweiten Armagnac aus 1977. Natürlich war der aus 1978 vieeeel besser. Ist eben ein guter Jahrgang gewesen. 😉
Irgendwann wollten wir, der Gastraum war in der Zwischenzeit fast komplett leer, dann auch das Aufräumen nicht aufhalten, ließen uns unsere Jacken geben und gingen vor die Tür.
Leider kam das gerufene Taxi nicht, weswegen wir uns dann noch einmal kurz in das Restaurant begeben haben, wo neben dem Service-Personal auch Stemberg Senior und Stemberg Junior den Tag Revue passieren ließen. Die Tatsache, dass das gerufene Taxi nicht gekommen war, wurde mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, ein neues gerufen und es gab von Sascha Stemberg, also dem Junior, der in der Zwischenzeit hier das Zepter in der Hand hält, noch einen kleinen Likör aufs Haus.
Und während wir da so warteten, quatschten wir ein wenig über das Menü, die Herausforderungen die ein Menu plus A la carte für eine Küche darstellt und noch über ein paar andere Dinge. Und dann kam auch unser Taxi, wir bedankten uns für den schönen Abend und machten uns auf den Weg zurück ins Hotel.
Die Tatsache, dass wir dann auf einmal vor sowas hier standen (wohlgemerkt: Nicht für uns!), soll nicht Sinnbildlich für den Abend stehen.
Der Abend war echt sehr gut. Das Essen war sehr lecker und es gab tatsächlich kein Gang, dem wir nicht etwas schönes, wohlschmeckendes abgewinnen konnten.
Detaillierter würden wir sagen, dass es halt auch die Kombination aus „Bergischen Gasthaus“ und „Gourmet“ war, die dem Abend das Besondere verpasst hat. War es wie ein Besuch in einem skandinavischen Sterne-Restaurant? Oder wie in einem 2- oder gar 3-Sterner wie im Ox & Klee? Oder gar Christian Bau? Sicherlich nicht, aber das ist ja auch nicht der Vergleich, den das Haus Stemberg über sich ergehen lassen muss. Hier wird dem Gast sehr gute, sehr bodenständige Küche handwerklich auf hohem Niveau gereicht, die Spaß macht. Für die man aber nicht mehrere Wikipedia-Artikel lesen muss, um die einzelnen Zutaten zu verstehen.
Der Service war bergisch bodenständig, teilweise etwas burschikos, was aber auch an unserer Gruppe lag. Denn „Zurückhaltend“ war jetzt vermutlich keine Beschreibung unseres Tisches. Mit Susanne und Jan war es nämlich ein super schöner Abend, nette Gespräche und es wurde viel gelacht. Ziemlich sicher war das also nicht das letzte Mal, dass die beiden hier auftauchen. Genau wie es ziemlich sicher nicht das letzte Mal war, dass wir im Haus Stemberg waren.