Im Gegensatz zu unseren sonstigen Reisen nach Edinburgh, haben wir uns dieses Mal entschieden erst am Montag zurück zu fliegen. Dies hatte, neben dem finanziellen Aspekt, auch den Hintergrund, dass wir den Sonntag noch für eine Aktivität zur Verfügung haben sollten.
Und was macht man nun mit so einem kompletten Tag? Am Freitag beziehungsweise am Samstag hatten wir recht spontan die Idee entwickelt in eine Stadt zu fahren, durch die wir schon oft gefahren sind. In die wir und von der wir auch schon geflogen waren, die wir aber (abgesehen von einem Frühstück mit Tatjana und Thomas auf dem Weg zum West Highland Way 2019) noch nie außerhalb eines Bahnhofes oder Flughafens gesehen haben.
Es geht nach Glasgow.
Dies bedeutete leider ein relativ frühes Aufstehen und ein kurzer Fußmarsch zur nahen Edinburgh Park Station.
Viele Wege führen nach Glasgow, einer sogar direkt von unserer „Hausstation“. Wir haben uns aber für eine Umsteigeverbindung via Haymarket entschieden, da wir dort ein Frühstück kaufen wollten. Also erst einmal in die Stadt rein und dann ab nach Glasgow über eine der 4 elektrifizierten Strecken zwischen den beiden größten Städten Schottlands.
Für Sonntag früh war der Zug via Falkirk High sehr gut ausgebucht. Leider um unseren Platz herum mit einem Inder, der sich unangenehm laut mit zwei amerikanischen Frauen unterhalten hat. Und ein Schotte, der das Konzept „Kopfhörer“ noch nicht verstanden hatte, was ihm aber von einer anderen Schottin sehr, sehr ans Herz gelegt wurde.
Für „Unterhaltung“ war also die knappen 55 Minuten gesorgt an deren Ende wir in der neu gestalteten Queen Street Station ankamen und die neue Halle bestaunen konnten.
Unser erster Programmpunkt stand schon fest, denn dafür haben wir tags zuvor schon ein Ticket besorgt. Danach wollten wir auf eigene Faust die Stadt Glasgow erkunden.
Glasgow ist mit über 630.000 Einwohnern vor Edinburgh die größte Stadt Schottlands und nach London und Birmingham die drittgrößte Stadt in UK und liegt am Fluss Clyde. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert hatte Glasgow allerdings mehr als eine Million Einwohner, auch aus den damals in der Stadt ansässigen Industrie.
Glasgow gilt im Gegensatz zur schottischen Hauptstadt Edinburgh als „Arbeiterstadt“. Es gibt eine Kathedrale aus dem 12. Jahrhundert und vier Universitäten, die Universität Glasgow, Universität Strathclyde, Glasgow Caledonian University und die University of the West of Scotland sowie die Glasgow School of Art und das Royal Conservatoire of Scotland (ehemals Royal Scottish Academy of Music and Drama) zu finden.
2018 belegte Glasgow in einem weltweiten Ranking von Städten nach ihrer Lebensqualität den 50. Platz von 231. Also mal schauen, ob das stimmt.
Zuerst aber mal: Bier!
Tennent Caledonian ist ein Brauereiunternehmen mit Sitz in Glasgow, Schottland.
Tennent wurde 1740 am Ufer des Molendinar Burn von Hugh und Robert Tennent gegründet und sind heute im Besitz der C&C Group plc. Und die Brauerei braut Tennent’s Lager, Schottlands marktführende Marke für helles Lagerbier seit 1885 in Glasgow. Und das wollten wir uns mal bei einer Brauerei-Tour anschauen.
Die Brauerei liegt östlich der Innenstadt und so mussten wir mit dem Bus fahren. Was gar nicht mal so einfach war, denn die Innenstadt war wegen einem Konzert gesperrt. Weswegen die Busse auch nicht dort fuhren, wo Frau Google es meinte. Klappte dann aber doch noch.
Glücklicherweise fuhr der Bus auch kurz vor unserem Ausstieg wieder auf der ursprünglichen Route.
Also raus aus dem Bus und rein in das Gebäude. Für die erste Tour um 11 Uhr hatten wir Tickets gekauft und 10 vor 11 waren wir da. Deutsche Pünktlichkeit, die auch funktioniert, wenn Scotrail und nicht die deutsche Bahn beteiligt sind … 😉
Die Tour begann, wie gesagt, in 10 Minuten also konnten wir uns hier ein wenig Umschauen. Vor der Tour gab es ein kleines Museum und natürlich einen Gift Shop.
Die Wellpark Brewery war ursprünglich als Drygate Brewery bekannt. Sie wurde 1740 unter dem Namen H. & R. Tennent an der Drygate Bridge in der Nähe der Kathedrale von Glasgow von Hugh und Robert Tennent gegründet, obwohl ihr Vorfahre Robert Tennent bereits seit 1556 an derselben Stelle am Ufer des Molendinar Burn braute, was sie zum ältesten ununterbrochen betriebenen Unternehmen in Glasgow macht. Und was natürlich auch marketing-technisch ausgeschlachtet wird.
Für die Tour mussten wir in einen Raum eine Etage höher gehen, dort einen kurzen Vortrag über die Geschichte der Brauerei und der Familie Tennent hörn, eine Warnweste anlegen und dann ging es auch schon los.
OK, ein Haarnetz musste auch sein, denn hier werden Lebensmittel produziert. Warum Jens Bart nicht abgedeckt werden musste … keine Ahnung.
Tennent’s Lager ist Schottlands meistverkauftes helles Lagerbier mit einem Anteil von etwa 60 % am schottischen Lagerbiermarkt. Erstmals in 1885 von Hugh Tennent gebraut erhielt das Bier 1893 auf der Weltausstellung in Chicago die höchste Auszeichnung. Tennent’s Lager ist übrigens als für Vegetarier geeignet zertifiziert.
Während der Tour gab es die üblichen Erzählungen und wir konnten auch in die Dosen- und Flaschen-Abfüllanlagen gehen, die am Sonntag allerdings still standen.
Fotos durften nicht gemacht werden, darauf wurde mehrfach hingewiesen, also wurde das Handy auch erst wieder am Ende der Tour rausgeholt. Einem für eine Brauerei-Tour sehr üblichem Ende.
Nämlich in der Bar, wo uns von unserem Guide, der „Azubi-Führerin“, die einfach nur mithöhren sollte, um dann selber Touren zu übernehmen, und einem weiteren Guide ein Tasting eingeschenkt wurde.
Daneben gab es noch ein paar weitere nette Gespräche über die Geschichte des Viertels, die jeweiligen Wege der Guides das sie diese Touren machen oder auch einfach nur über, wie man so schön sagt, Gott und die Welt.
Eine sehr schöne Tour und durch die netten Gespräche eine schöne Einführung in Glasgow.
Durch das ganze Bier, auch wenn es nur Tasting-Portionen waren, hatten wir aber doch Bedarf an etwas Nahrung. Auch weil in Haymarket die Verpflegung sehr spartanisch ausgefallen war, da der Supermarkt hinter den Bahnsteigsperren lag und wir nur auf ein kleinen Kaffee-Wagen zurückgreifen konnten.
Glücklicherweise hat im Mai 2014 die C&C Group und Williams Bros Brewing auf dem Gelände eine Craft-Brauerei mit dem Namen Drygate Brewing eröffnet, benannt nach Drygate, einer Straße, die an den westlichen Rand der Brauerei angrenzt.
Und das haben wir zu unserem „Hier wollen wir Mittag Essen“-Ort erkoren, also rein mit uns.
Sah schon sehr nach einer Craft Brauerei aus, auch wenn wir natürlich wissen, dass hier auch wieder ein Konzern dahinter steht. Aber neben der doch kleinen, schnuckeligen Brauanlage gab es schöne Ecken, viele Flyer für Veranstaltungen und Events.
Und Bier gab es auch, sogar recht gutes. Neben dem wirklich sehr guten Essen, was wir uns dann bestellt haben. Unter anderem echt leckere Bao Buns mit Pulled Pork und Fisch Tacos.
Tatsächlich gab es dann ab 13 Uhr sogar sehr gute Live Musik und so verbrachten wir doch etwas mehr Zeit als geplant.
Dann übernahm aber das Pflichtbewusstsein, denn wir waren ja nicht nur zum Bierkonsum her gekommen. Also ab um die Ecke, wo passenderweise unser GPS-Track begann.
Unser Stadtspaziergang begann direkt an einem der Highlights: Die St. Mongo´s Cathedral, auch Glasgow Cathedral genannt.
Die Kathedrale geht auf den Glasgower Schutzpatron St. Mungo zurück, dessen Grab sich in der Krypta der Kirche befindet. Der jetzige gotische Bau ist zwischen dem 13. und dem 15. Jahrhundert entstanden. Die Kirche war Sitz der Bischöfe und später der Erzbischöfe von Glasgow. Seit dem Jahre 1690 war die Kathedrale nicht mehr Sitz eines Bischofs. Die Bezeichnung als Kathedrale ist seitdem ein historischer Ehrentitel und deutet auf die ursprüngliche Funktion als römisch-katholische Bistumskirche des Erzbistums Glasgow (heute ist dies die St.-Andreas-Kathedrale) hin.
Die im Jahre 1124 gegründete Chorschule der St. Mungo’s Cathedral, die 1834 in High School of Glasgow umbenannt wurde und heute noch Schüler unterrichtet, ist die älteste Schule Schottlands.
Wir machten uns auf ins Innere und staunten über das 32 Meter hohe Gebäude. Sehr beeindruckend!
Es gab auch sehr viele Info-Tafeln, die wir eingehend studierten. Gerade zu der Geschichte der ganzen Heiligen, der Gemeinde an sich aber auch über die Kunst.
Der heilige Mungo, auch bekannt als Kentigern, wurde im Jahre 518 in Culross, Schottland geboren und ist am 13. Januar 612 in Glasgow gestorben. Er gilt als der erste Bischof von Glasgow und ist Schutzpatron der Stadt Glasgow sowie Schottlands. Er wird in der römisch-katholischen und der anglikanischen Kirche als Heiliger verehrt. Sein Gedenktag ist der 13. Januar.
Berichte über das Leben des Heiligen stammen hauptsächlich aus der Vita, die im 12. Jahrhundert von dem Zisterzienser Jocelyn aus der Abtei Furness verfasst wurde. Danach war er mit 25 Jahren Missionar am Clyde. 540 wurde er auf Bestreben Königs Rhydderch Hael von Strathclyde zum Bischof geweiht. 13 Jahre lang wirkte er von einer Zelle auf dem heutigen Stadtgebiet Glasgows aus. 553 wechselte die Stimmung in der Region, das Christentum war nicht mehr angesehen, und Mungo floh aus dem Königreich nach Menevia, dem Kloster des heiligen David von Menevia.
Einige Jahre später gründete er in Llanelwy ein Kloster, in dem er bei seiner Verabschiedung den heiligen Asaph als Vorsteher einsetzte. 573 kehrte Mungo – begünstigt durch den Ausgang der Schlacht von Arfderydd – nach Schottland zurück. Zunächst predigte er das Evangelium in Dumfriesshire. 581 kehrte er nach Glasgow zurück. Dort begegnete er dem heiligen Columban von Iona.
Der heilige Mungo wurde in der Glasgow Kathedrale begraben.
Weiter ging es durch die frische, sehr frische Luft entlang an vielen alten Gebäuden. Sehr schön und ein sehr schöner Sonntagsspaziergang.
Je näher wir an die Innenstadt kamen, desto urbaner wurde es. Oder es wurde, wie wir es empfanden, auch ein bisschen hässlicher. Die Wandgemälde mal davon ausgenommen.
Dafür gab es … TIMMY`S! Leider waren wir satt, ansonsten wäre natürlich ein Boston Creme drin gewesen.
Die Innenstadt bliebt weiterhin gesperrt, auch wenn uns die doch etwas unfreundlichen Männlein in Warnwesten nicht wirklich mitteilen konnten warum.
In einem kleinen Bogen machten wir uns dann vom eigentlichen Track weg in Richtung eines hiesigen Außenpostens einer Brauerei aus Aberdeen. Auf dem Weg sahen wir dann erste Zeichen, dass Glasgow nicht überall eine „Arbeiterstadt“ ist …
Im Brewdog haben wir uns dann an einem Hochtisch platziert und genossen ein, zwei Biere während wir uns aufwärmten. Und neben uns die Gäste und Hunde beobachteten.
In der Zwischenzeit war es schon dunkel geworden und wir waren auch etwas müde. Insofern haben wir uns hier entschlossen nicht mehr die Route abzugehen und stattdessen einfach nur kreuz und quer durch die Innenstadt zu spazieren. In der auch überraschend viel los war für einen späten Sonntag Nachmittag.
Und Meike dann so: „Oh, ein Weihnachtsmarkt!“
Gut, immer kann sich Jens nicht dagegen wehren und daher ging es eine kleine Runde über das, was sich Schotten unter einem Weihnachtsmarkt vorstellen. Spoiler: War schon sehr viel Klischee da …
Also ging es weiter durch die Fußgängerzone.
Zum Abendessen hatten wir uns noch für ein schönen, kleinen Gastropub namens Ardnamurchan entschieden. Das Restaurant wurde uns in ein paar Blogs empfohlen und sollte, etwa wie am Freitag das „The Kitchin“, Lebensmittel der schottischen Küche sehr gut präsentieren.
Und das tat das Restaurant auch, denn Jens konnte sein Austern-Depot wieder mit 6 sehr festen aber leckeren Loch Fyne Austern auffüllen.
Danach gab es Jakobsmuscheln, Blumenkohl-Püree, Oliven-Crumble und Wasserkresse. Die Muscheln waren leider etwas übergart, aber die Kombination war schon gut.
Meike machte es dann aber klassisch mit Haggis, Neeps und Tatties. Und gewann damit das Vorspeisen-Duell.
Der Hauptgang war dann aber bei Jens wieder sehr, sehr lecker. Denn es gab Reh Filet mit Beeren, Kartoffeln und Gemüse.
Das war herausragend gut! Echt sehr, sehr gut und überraschend günstig. Und weil es so günstig und gut war, gab es für Jens noch einen „Nachtisch“ …
Um eine Eiweiß-Übersättigung zu vermeiden (und weil wir echt pappsatt waren) machten wir uns dann langsam auf und gingen zu Fuß zurück zur Queen Street Station.
Das Restaurant und Glasgow insgesamt werden wir aber nicht zum letzten Mal besucht haben.
Zurück zum Bahnhof ging es dann relativ schnell. Unser Zug war jetzt der direkt nach Edinburgh Park fahrende Zug. Der allerdings einerseits nicht in Glasgow, sondern in Helensburgh Central weiter westlich beginnt und daher den „Low Level“ Teil der Queen Street Station durchfährt. Und der andererseits auch an jeder schottischen Milchkanne hält und deswegen anscheinend von vielen Tagesausflüglern genommen wird, um nach dem Weihnachtsmarkt oder sonstwas wieder nach Hause zu fahren.
Uns war das zu voll, wir wollten lieber einen Sitzplatz und suchten schnell eine andere Verbindung. Und mit einem auf dem High Level, dem ebenerdigen Kopfbahnhof der Queen Street Station, beginnenden Zug in Richtung Edinburgh sollten wir tatsächlich den Bummelzug wieder ein- und sogar überholen und somit zur gleichen Zeit in Edinburgh Park ankommen. Nur eben mit einer recht hohen Garantie auf einen Sitzplatz.
Der M&S im Bahnhof wurde gleich noch um zwei Cola, ein paar Wasabi-Nüsse und etwas Schokolade im Tausch gegen ein paar britische Pfund erleichtert und dann suchten wir unseren Zug. Leider nicht mit einem der zwischen 1975 bis 1982 erbauten Class 43 InterCity-Züge, die früher im ganzen Vereinigten Königreich unterwegs waren und inzwischen von ScotRail zwischen den Metropolen Edinburgh/Glasgow und Aberdeen/Inverness eingesetzt werden. Naja, nächstes Mal.
Unser Zug startete von Gleis 4 und fuhr kurz vor der Abfahrt ein, typisch britisch eben, dass es keine wirklich fixen Gleise gibt, von denen die Züge abfahren.
Mit Cola, Schoki und Nüssen ging es durch die Nacht zu unserem Umsteigebahnhof: Linlithgow. Ein kleiner 12.000 Einwohner großer Ort etwa 20 Kilometer vor Edinburgh. Ein schöner Bahnhof, der 1842 eröffnet wurde.
Sogar mit einem netten, kleinen Wartebereich im Inneren des Gebäudes. Und eine sehr saubere, voll eingerichtete und barrierefreie, kostenlose Toilette.
So konnten wir die Wartezeit gut verbringen und dann in unseren auf die Minute pünktlich ankommenden Zug nach Edinburgh Park einsteigen.
Und auch hier: Genügend Platz für die kurze Fahrt zu „unserem Bahnhof“.
Dort dann in die kalte Nacht aussteigen, kurzer Fußweg zum Hotel und ab auf das Zimmer.
Fazit zu Glasgow: Spannende Stadt, noch viel zu entdecken (die viertälteste U-Bahn der Welt zum Beispiel! Meint zumindest Jens!) und wir werden sicherlich wieder mal da hinfahren. Oder vielleicht auch mal anders herum planen, also in Glasgow übernachten und dann ein Tagesausflug nach Edinburgh machen. Mal schauen.
Für heute reichte es auf jeden Fall, denn das kalte Wetter und der kurze Tag verhinderte einen längere Stadtspaziergang. Dann beim nächsten Mal.