Ein Kölsch. Ein einfaches Kölsch an einer Hotelbar in Euskirchen.
So beginnt ja, selbst bei uns, selten ein Besuch in einem Gourmet-Restaurant. Heute aber schon, denn zusammen mit Susanne und Jan waren wir für zwei Nächte nach Euskirchen gefahren. Ziel war ursprünglich ein Spa-Tag gewesen und den würden wir am Folgetag in der Therme Euskirchen einlegen.
Weil es sich auf nüchternen beziehungsweise nur mit mittelmäßigen Speisen gefüllten Magen so schlecht saunieren lässt, wurde am Anreisetag noch ein entsprechender Restaurantbesuch organisiert. Passenderweise im gleich neben Euskirchen liegenden Flamersheim, im Restaurant „Bembergs Häuschen“
Schöne Gegend, auch wenn wir beim Hinweg im bestens auf den morgigen Sauna-Tag vorbereitenden, sehr warmen Taxi nur sehr wenig gesehen haben.
Unser heutiges Ziel hat einen Stern im roten Buch und in selbigem wird über das heutige Lokal folgendes geschrieben: „Steht Ihnen der Sinn nach etwas herrschaftlichem Flair? Das vermittelt die schöne jahrhundertealte Schlossanlage der Familie von Bemberg. Der angegliederte Gutshof a. d. 18. Jh. beherbergt ein ausgesprochen hübsches modern-elegantes Restaurant, das mit geradlinigem und zugleich stilvollem Interieur dem Charakter des historischen Wirtschaftsgebäudes gut zu Gesicht steht. Patron Oliver Röder und sein Küchenchef Filip Czmok sorgen für stimmige, aromareiche und ausdrucksstarke Gerichte aus exquisiten Produkten“
Und schon beim ersten Blick in den kleinen Speiseraum, eher einer kleinen Dorfkneipe von der Größe ähnelnd, konnten wir das mit dem Flair schon gleich bestätigen.
Wobei es beim Blick auf die Karte gleich mal einen ersten „Downer“ gab, wie man das heute so sagt. Das würde nämlich mit ziemlicher Sicherheit unser letzter Besuch hier bleiben.
Hmpf – schade. Aber, wie wir am Ende des Menüs auch ein bisschen mit Chef Czmok thematisierten vielleicht auch eine Chance. Das Konzept mit dem Gourmet-Restaurant scheint hier aktuell aber nicht so gut zu laufen, daher die traurige aber sicherlich gut überlegte Entscheidung.
Um so mehr wollten wir den Abend genießen und entschieden uns für das große, 8 Gänge beinhaltende Menü. Genauer gesagt waren es dann 9, denn das Signature Dish wollten sich 3 aus der Reisegruppe „Zoofreunde“ (bitte nicht fragen, ist ein Insider) nicht entgehen lassen.
Also hatten wir, wenn man exakt ist, zwischen 7 und 9 Gängen. Vorfreude hatten wir trotzdem.
Bevor über die Anzahl der Gänge entschieden wurde, gab es bereits die ersten Grüße aus der Küche: Ein sehr vollmundiger und fast schon herzhafter Sud aus gelber Beete, ein Tartelette mit gelber Beete, Apfel Vadouvan und Saiblingsrogen. Und ein „Berliner, Krapfen, Krebbel, Sonstwas“ mit einer herzhaften Füllung.
Das schwankte hervorragend zwischen der feinen Klinge wie beim Tartelette und …
… einer einfach aussehenden Brühe. Wobei die Arbeitsschritte und die Zeit, die hier investiert wurden, sicherlich nicht weniger anspruchsvoll waren, wie das augenscheinlich komplexe Tartelette.
Wobei wir tatsächlich alle den Krapfen gefeiert haben, weil es einfach das überraschendste von den drei Grüßen war – zumindest für uns.
Sauerteig-Brot, Rapsöl-Aufstrich, eine Creme aus Brunnenkresse und Olivenöl folgten dann und wurden gerne verkostet.
Ein leichter Hauch von Hunger lag in der Luft und vielleicht wurde auch nochmal nachgegriffen. Nicht wissend, dass wir am Ende schon echt sehr, sehr satt sein würden.
Der nett getaufte „Große Gruß aus der Küche“ war dann schon gleich ein Highlight, denn im Becher befand sich eine Creme Brulee mit Banane und einem Schaum sowie einer Creme aus Parmesan.
Ein Match aus dem Himmel: Banane und Parmesan! Echt spannend und super lecker, selbst für Meike, die ja eher nicht so für Bananen zu gewinnen ist. Es sei denn, sie kommen mit Minions und sind im Fernsehen …
Ähnlich beeindruckend ging es weiter mit einem Tartar aus Kaninchen. Noch nie gegessen, gleich verliebt!
Dazu gab es geräucherten Aal, ein confiertes Eigelb und eine Essenz mit Schnittlauchöl verfeinert. Und die obligatorischen Blumen.
Das war der Hammer. Ein Tartar mit sehr leichtem Geschmack und doch, vor allem durch das Eigelb, sehr voll im Aroma. Super Kombination.
Weiter: Topinambur mit einem Nutella-Schaum!
Na gut, Nutella war es nicht, aber Kakao mit Haselnuss. Dazu, etwas komisch am Anfang, schwarzer Knoblauch. Die Topinambur war etwas groß, aber gut gegrillt. Die Pilze waren … da und kleine Backerbsen rundeten das Geschmacksbild ab. Naja, eher die Textur, denn geschmacklich war der Schaum schon sehr überwältigend.
Als nächstes das Trendgemüse im Fine Dining schlechthin: Rote Beete! Hier in der Variante mit einer sehr einfach gebratenen Entenleber und einem sehr, sehr spannenden Rotkohl Kimchi sowie Senffrüchten.
Dadurch, dass die Rote Beete, der Rotkohl Kimchi und die Senffrüchte miteinander verschmolzen, war das einfach wieder ein sehr vollmundiger Gang. Die Leber passte hervorragend zu den roten Aromen und der leichten Schärfe vom Kimchi.
Und wir sind recht stolz darauf, dass wir weder den Tisch noch uns bekleckert haben, denn das hätte man auf jeden Fall gesehen!
Als nächstes im Menü: Seeteufel mit Rosenkohl, einer Velouté aus Haferwurzel (also einer Mehlschwitze mit einem Fond gesimmert) sowie sehr krosser Hühnerhaut.
Velouté, Rosenkohl und Seeteufel waren sehr gut, die Hühnerhaut dagegen war irgendwie ein Störfaktor. Nicht von der Konsistenz her, sondern tatsächlich vom Geschmack, denn irgendwie saugten die krossen Stückchen vom Aroma doch sehr viel weg. Der Fisch war auf den Punkt und vorzüglich.
Beim nächsten Gang schieden sich die Geister am Tisch. Also bei 3 Personen, denn Susanne mag ja Fisch nicht so sehr und hat daher (auch sehr cool) ein eigenes Menü bekommen, wo jeweils spannende Alternativen aufgeführt wurden.
Meike, Jan und Jens bekamen eine Makrele „Bloody Mary“ und das war eine sehr intensive Kombination aus einer geflämmten Makrele mit einem würzigen Dashi, Sellerie und Senfkörner sowie Lorbeeröl. Dazu noch eine Nocke Makrelentartar drauf.
Jan war das eher zu viel und zu unrund, Jens dagegen fand es genau richtig. Und das ist ja das schöne am Essen beziehungsweise am Geschmack: Jeder hat seinen oder ihren eigenen und das ist genau gut so! Und einem muss nicht immer alles schmecken, auch das ist völlig ok so. Wie haben unsere Eltern immer gesagt: „Aber probieren musst Du es schon!“
Ach ja, zu der Makrele gab es einen Alpha & Omega vom Deutzerhof. Da müssten wir auch nochmal hin, unserer Vorräte unter anderem von genau diesem Wein gehen zu Neige …
Am Tisch unterhielten wir uns über Dies und Das wobei auch der jeweilige Gang natürlich Thema war. Und ein sehr lobendes Gespräch führten wir bei dem nächsten, extra bestellte Gang, welcher der Signature-Dish des Restaurants ist: Das Herrengedeck!
Ein Herrengedeck ist traditionell ja eher eine Kombination zweier alkoholischer Getränke, meistens ein Bier und ein Schnaps, die getrennt gereicht werden. Rund um Hannover gibt es als Sonderform ja zum Beispiel das „Lüttje Lage“, eine mit einer besonderen Trinkweise verbundene Kombination aus dem obergärigen Lüttje-Lagen-Schankbier und Kornbrand.
Insofern sollte hier eher das Gefühl aus den Wirtschaftswunder-Zeiten transportiert werden, denn es gab einen Cognac in einem Cognacschwenker und eine fette Zigarre.
Da das hier aber ja eher kulinarisch zu sehen ist und ansonsten auch der Raum jede Woche vermutlich neu gestrichen werden würde, wurde hier nur die Präsentation nachgestellt. Im Detail hatten wir hier eine Consommé aus Ochsenschwanz im Glas sowie quasi „Pulled Ochsenschwanz“ in der Zigarre, deren „Papier“ in der Flüssigkeit des Inhalts getränkt wurde. Dazu, symbolisch für die Asche, ein getrocknetes Pulver aus Apfel und Wermuth.
Und das war ein echtes Highlight, denn die Kombination aus der Präsentation mit dem Augenzwinkern, den feinen Details beim Anrichten und dann auch noch der echt wunderbare Geschmack aller Komponenten einzeln sowie zusammen, ein Traum. Das war „Fine Dining“ at it´s best!
Wir scherzten, auch nachher mit Chef Czmok, darüber, dass uns eigentlich 10 der Grüße und 5 dieser Zigarren auch gereicht hätten. Gut und für Jens noch eine Makrele.
Zeit für den Hauptgang und hier schieden sich wieder etwas die Geister, denn es gab eine Sous Vide gegarte Elsässer Taube
Die Taube sah spannend aus, hatte aber beispielsweise bei Jens noch ein paar Sehnen. Dazu gab es ein sehr gutes Regout aus der Taube, geschmorten Wirsing und Herbsttrüffel. Hier war es wieder so, dass die Trüffel ab und zu den Geschmack überlagerten und auch die Sauce hier nicht viel gegenzusetzen hatte. Alles sehr gut, keine Frage, aber eben kein Highlight wie der Gang zuvor.
Generell haben wir das ja häufiger auf diesem Level, dass beim Hauptgang dann die Kreativität aus unserer, subjektiven Sicht abfällt. Oder wir das zumindest nicht so schätzen können, denn auch hier muss ja Harmonie auf dem Teller hergestellt werden.
Die Weinbegleitung war übrigens sehr spannend, wenn auch klassisch angelegt. Aber da ist ja nichts schlimmes dabei und gerade die Ausflüge nach Franken, ins Ahrtal oder, wie beim Hauptgang, an die Rhone haben uns durch die Bank weg gefallen.
Überraschenderweise war das Pre-Dessert dann wieder ein echtes Highlight, denn die Kombination aus eine Quittensorbet, Maroni und Kürbis (links) zusammen mit einem Vacherin und einem schön saftigen und einer leicht krossen Rinde umgebenen Früchtebrot war der Hammer.
Und manchmal ist es eben das vermeintlich Einfache, was begeistert: Der Käse, das Brot und das herbstliche Gemüse harmonierten gemeinsam einfach nur sehr, sehr gut.
Für Meike und Jens gab es hier noch ein besonderen Gag, denn als Wein wurde eine 2019er „Goldstückchen“ Riesling Spätlese von der Mosel gereicht. Vom Weingut „F.J. Eifel“, wo wir nach der ersten Etappe unserer Moselradtour übernachtet haben. Und damit genau der Wein, den sich Jens vor unserem Trip zum Gasthaus Schanz in der in unserer Verantwortung übergebene Theke der Pension aufgemacht hatte.
Grüße gehen raus an Frau Eifel!
Der eigentliche Nachtisch war dann auch gut, allerdings auch eine eher klassische Kombination: Eine Eiscreme aus Quinoa mit Kaffee und Ananas. Einen kleinen Kick gab das Teearoma, denn etwas Darjeeling wurde hier auch verarbeitet.
Und das war es dann, ein echt leckeres Fine Dining Erlebnis in geselliger Runde und mit einigen sehr beeindruckenden Gängen.
Schade, dass es halt vermutlich wirklich unser letzter Besuch hier sein dürfte, denn bis Ende des Jahres bekommen wir keinen Termin hier mehr hin. In dieser Runde sowieso nicht, unsere legendären Termin-Findungs-Probleme kennen wir 4 ja eh schon länger. 😉
Aber immerhin geht es in dieser Runde im Januar zum Vater-Sohn-Duo Stemberg nach Velbert. Wo sich Jens jetzt schon beherrschen muss, dass er nicht Dinge aus seinem aktuellen Podcast „Fiete Gastro“ zitiert, wo die beiden mal zu Gast waren. Und wo die von Stemberg Senior legendäre Art zu sprechen den Titel vorgab: Mies-Nuschel-Suppe!
Mit dem Taxi ging es zurück ins Hotel, am Folgetag gab es Frühstück und es ging ab in die Therme. Wo es, nur kurz, weil es nix mit dem Essen zu tun hat, anfangs sehr schön und gegen Ende sehr warm war. Und außerdem die Diskussionsfreude einzelner Gäste bezüglich des „maximal 5 Getränke“ Limits auch genervt hat.
Am Abend ging es dann zu einem Tapas-Restaurant in Euskirchen, dem Calito, Einer echten Empfehlung, sollte man mal in der Gegend sein.
Und nicht zweimal im neuen Restaurant bei der Burg Flamersheim speisen wollen. Was definitiv zu empfehlen wäre, denn vermutlich wird die Kreativität auch, wenn auch auf etwas niedrigerem Niveau, weitergeführt werden.
Und Sonntag ging es dann wieder zurück nach Köln beziehungsweise Solingen.
Schöner Trip, schöne Gespräche, sehr schönes Restaurant! Gerne wieder!