Nachdem der gestrige Abend (wieder Mal in diesem Urlaub) mit ein paar Weinen zu Ende ging und außerdem bei Jens sein Wolf (Fachbegriff „Intertrigo“ oder wie Jens ihn nennt „Dat Arsch!“) einer geruhsamen Nachtruhe im Wege stand, beschlossen wir am Morgen den Tag etwas langsamer angehen zu lassen. Und erst einmal alles so zu machen, als würden wir die 55 Kilometer nach Treis-Karden auch antreten.
Auf dem Weg zum Frühstück (natürlich im Haupthaus, also einmal über die Fußgängerzone) eine kurze Erinnerung, was hier ein Hochwasser bedeutet. Nämlich das der Fahrstuhl im Erdgeschoss komplett unter Wasser steht …
Das Frühstück selber war ok, wenn auch nicht so schön wie in Zeltingen oder Trittenheim. Aber zum Satt-Werden reichte es.
Danach die übliche Routine: Aufs Zimmer, Radtaschen holen, raus und auf die Räder.
Was diesmal halbwegs gut klappt. Also das mit der Garagentür, die sich Meike weniger widersetzte als gestern.
Das mit dem Radfahren dagegen klappe nicht so gut. Und um das Ganze nicht noch zu verschlimmern und Jens für die nächsten 5 Tage wie eine Krabbe gehen zu lassen, entschieden wir uns die Etappe zu überspringen.
Als Alternative stand unter anderem zur Wahl, dass wir eine kurze Strecke nach Bullay mit dem Rad fahren und von dort aus die Bahn nehmen. Dann wären wir aber viel zu früh am Ziel und außerdem ist das mit den Fahrrädern im Zug ja so eine Sache. Und wir würden halt auch trotzdem was auf den Sätteln sitzen.
Ein Bus hätte es auch gegeben, hier wären die Räder allerdings noch ein größeres Problem gewesen
Glücklicherweise gab es noch eine Alternative: Die Mosel. Genauer gesagt ein Schiff, was auf der Mosel bis zu unserem Etappenziel fährt. Was auch noch direkt vor unserem Hotel ablegt.
OK, die Entscheidung war schnell getroffen. Die Herrengruppe, die bereits um 8:30 Uhr morgens das erste Bier an der Hotelbar orderte und ebenfalls auf das Schiff kam, ignorierend kauften wir zwei Tickets bis Treis-Karden und reihten uns in die Schlange der anderen Wartenden ein. An Bord wurden die Räder dann abgestellt und wir suchten uns einen schönen Tisch an Deck.
Wo wir dann die nächsten 4 Stunden verbringen sollten.
Anfangs hat es noch was geregnet und auch die Tische waren am Rand etwas feucht. Aber wir waren mit unseren Plätzen zufrieden, bis auf die Tatsache, dass die oben erwähnte Herrengruppe sich selbstverständlich genau gegenüber platzierte und jetzt nicht durch Ruhe oder niveauvolle Gespräche begeistern konnte.
Egal: Leinen los, einmal das Schiff drehen und ab geht es Moselabwärts in Richtung Cochem und weiter nach Treis-Karden.
Die ersten Kilometer hielten wir ein paar Mal und es stiegen immer wieder ein paar Fahrgäste hinzu. Alles aber sehr ruhig und gemäßigt, genau wie die Fahrt selber.
In den Weinbergen sah man tatsächlich noch letzte Lesearbeiten, teilweise auch in den Steillagen. Obwohl in der Regel die Hauptarbeit schon erledigt war in diesem eher schlechten Jahr 2024. Spannend sind immer wieder die vielen Monorackbahnen, Einschienen-Zahnradbahnen zur Überwindung extremer Steigungen in unwegsamem Gelände. Ihre Trassen bestehen in der Regel aus Vierkantrohren, die in gewissen Abständen auf Stützen lagern. Sie nutzen unterschiedliche Antriebstechniken und sind in der Lage, bis zu 250 kg Last zu befördern.
In den Steillagen sind das oftmals die einzigen Möglichkeiten und in den steilsten Lagen an der Mosel – eine davon würden wir noch sehen – sind selbst diese Bahnen nicht mehr nutzbar. Monorackbahnen können Steigungen von bis zu 100 % überwinden, horizontale und vertikale Kurven sind bis zu einem Radius von 4 Meter möglich.
Hier und da kamen dann immer wieder kleine Dörfer in Sicht und über die Lautsprecher wurde auch das ein oder andere Dorf mit seiner Geschichte vorgestellt.
Die Doppelstockbrücke bei Bullay, die wir als nächstes erreichten, liegt zwischen Alf/Zell und Bullay. Sie wurde 1875 – 1878 als Deutschlands erste Doppelstockbrücke errichtet und ist 314 Meter lang. Zunächst war sie als reine Eisenbahnbrücke geplant, wurde dann allerdings aufgrund der finanziellen Beteiligung von Gemeinde und verschiedener Unternehmer durch die preußische Regierung als Doppelstockbrücke für Schiene und Straße geplant und eben gebaut.
Das Bauwerk ist zusammen mit den beiden doppelstöckigen Brücken der Biggetalbahn in seiner Art in Deutschland einmalig.
Uns wurde langsam etwas schattig und daher orderten wir einen Kaffee und einen Kakao. Andere Gäste gaben sich hier schon den zweiten oder dritten alkoholischen Getränken hin. Wir ließen es etwas ruhiger angehen.
Keine Moselfahrt ohne Schleuse: Die Staustufe St. Aldegund bei Neef war die erste des Tages. Auf der Moselstrecke konnte man währenddessen einen Regional-Express mit Triebwagen der luxemburgischen CFL an der Front vorbeifahre sehen.
Hinter der Schleuse dann eines der Highlights der Mosel: Der Calmont zwischen den Orten Bremm und Ediger-Eller. Ein 380 Meter über der Mosel aufragender Höhenzug, der mit dem Bremmer Calmont und dem Ellerer Calmont zwei Weinbau-Einzellagen, die mit Hangneigungen bis über 65 Grad zu den steilsten Lagen der Erde zählen.
An seinen steilen Schieferhängen wächst ein besonders guter Riesling, wobei die Winzer immer noch auf Handarbeit und Muskelkraft angewiesen sind. Nachdem viele Jahre hier der Weinbau zurück ging, steigt seit etwa 2005 die Anbaufläche Stück für Stück, weil sich die Winzer durch den Namen ein gewisses Verkaufsargument erhoffen.
Die steilsten Lagen können nur mit Muskelkraft bearbeitet werden, Geräte können hier nicht eingesetzt werden und man kann auch nicht von einem Wirtschaftsweg oberhalb des Weinberges ein Seil oder so etwas hinunterlassen.
Sehr beeindrucken, wenn man darunter vorbei fährt.
Direkt hinter dem Calmont befindet sich ein ehemaliges adeliges Nonnenkloster des Augustinerordens, 1137 errichtet. Von dem ehemaligen langgestreckten, nach Osten gerichteten Bau sind nur noch die Außenmauern bis auf die Westwand erhalten.
Bei Dreis bogen wir in einen kleinen, geschützten Hafen ein – mal was anderes als die ewigen Stege an der Mosel.
In der Zwischenzeit war das Boot auch relativ voll und oben alle Tische unter dem Zeltdach belegt. Und es war trocken, was den Ausblick auch noch angenehmer werden lies.
Am Ufer erblickte man immer wieder was neues wie zum Beispiel dieses Wettangeln.
Oder die anderen Schiffe der Reederei Kolb, welche teilweise nicht wirklich fahrbereit aussahen.
Immerhin war unser Schiff sauber, trocken und schnell unterwegs und während wir die erste Weinschorle genossen, kam auch schon langsam das Ziel Cochem in Sicht.
In Cochem selber war dann Ende. Also für die Passagiere. Also für alle Passagiere außer uns, denn wir fuhren weiter bis Treis-Karden. Die Route selbst von Zell führt nur bis Cochem. Hier beginnt dann eine Rundfahrt von Cochem nach Treis-Karden und wieder zurück. Und dann fährt das Schiff flussaufwärts wieder zurück nach Zell.
Da wir aber schon Tickets bis Treis-Karden hatten, durften wir einfach sitzen bleiben. Wir bestellten noch eine Weinschorle, packten unser Tablet aus und spielten ein paar Spiele. Und schauten dabei den ausgestiegenen Passagieren zu, wie sie etwas orientierungslos (gerade die alkoholische Gruppe aus Zell) am Anlieger standen.
Wir waren dann auf einmal ganz alleine, nur wir und unsere Weinschorlen. Gut und die Besatzung, die das Boot für die Weiterfahrt bereit machte.
Der Kapitän kam auch kurz vorbei und meinte nur „Na, ihr habt wohl auch kein Zuhause, was?“. Alles in allem waren Alle von der Besatzung übrigens sehr freundlich und nett.
Nachdem das Schiff sauber war, fuhren wir einen Anlieger weiter.
Um dort dann die Passagiere für die Rundfahrt aufzunehmen. Die sich vermutlich gewundert haben, wieso da schon welche auf dem Schiff waren.
In Cochem, mit etwa 5.000 Einwohnern übrigens die kleinste Kreisstadt Deutschlands, sieht man auch die Wichtigkeit des Tourismus für die Region anhand der Flusskreuzfahrtschiffen, die hier Halt machen. Oder überwintern, denn die Saison war für die meisten Anbieter schon vorbei, zumindest haben wir wenige Schiffe fahren sehen.
Und da wir kurz vor dem Ziel waren und ziemlich sicher kein Rad mehr fahren würden, gönnten wir uns auch einen Schoppen Wein.
Was auch die lachenden Gesichter beim Aussteigen erklärte.
Zur Pension Luna, unserer Unterkunft für die Nacht, waren es vom Anlieger nur ein paar Meter und die schoben wir die Räder natürlich. Auf das Zimmer konnten wir noch nicht aber immerhin wurden die Räder in einer nicht mehr genutzten Ladenzeile neben der Pension abgestellt und wir konnten uns umziehen.
Und gingen dann, es war halt auch erst kurz nach 2, zum Bahnhof. Langsam und an einer Straße entlang. Denn wir wollten den Tag noch wenigstens etwas nutzen und mit unserem Deutschlandticket nach Cochem fahren und uns dort etwas umschauen, wie es unsere Knochen erlauben.