Nachdem wir uns einmal für unseren spontanen Hamburg entschieden hatten, ging es an die Frage „Was machen wir mit dem Abendessen?“ Hamburg liegt ja auch kulinarisch schon lange auf unserer „ToDo“-Liste und das mit einigen Restaurants aus der gehobenen Küche und aus der Kategorie „Gasthaus“.
Heute Abend sollte es zuerst das mit 2 Michelin Sternen gekrönte bianc werden, dort waren aber auf einmal keine Tische mehr frei. Also ging es zu einem weiteren interessanten Gourmet-Kandidaten: Dem Restaurant Jellyfish mitten in der Sternschanze gelegen. Ein recht neuer Kandidat auf der Gourmet-Karte, wo Chef Sven Fäth seit 2019 das Zepter als Küchenchef und Inhaber in der Hand hält.
2022 gab es den Stern und dieser wurde zwei Mal verteidigt. Zur Küche hier schreibt der Guide „Wer Fisch- und Meeresfrüchte-Küche mag, ist im „Jellyfish“ genau richtig. Diese wird in Form eines Menüs mit vier, sechs oder acht Gängen angeboten. Hier findet man auch eine hervorragende „Ausnahme“ in Form eines Fleisch- oder Geflügelgerichts. Ausgesuchte Produkte werden durchdacht und modern-kreativ zubereitet, toll das Handwerk. Und der Rahmen zum guten Essen? Das im Schanzenviertel gelegene Restaurant ist angenehm puristisch gehalten, die volle Aufmerksamkeit gilt der finessenreichen und interessanten Küche. Ein weiterer Wohlfühlfaktor ist der pfiffige, aufmerksame und fachkundige junge Service, der auch die passenden Weine empfiehlt.“
Na dann mal rein in den schön und puristisch modern eingerichteten Gastraum. Gleich wurden wir vom recht jungen Service in Empfang genommen und zu unserem Tisch in einer Ecke am Fenster geführt.
Die Tische, zumindest die 2 Personen Tische, waren recht klein, was später bei den irgendwie immer größer werdenden Teller noch zu einer kleinen Herausforderung werden sollte. Aber direkt am Anfang gab es erst einmal einen Champagner für Jens, einen Mocktail für Meike und das Menü. Was dann relativ schnell besprochen war, denn selbstverständlich gab es das komplette Menü inklusive Zusatz-Fleischgang. Und die Weinbegleitung, wobei es auch eine sehr interessant aussehende alkoholfreie Begleitung gibt.
Chef Fäth hat übrigens für Dieter Müller auf der MS Europa gearbeitet, bevor er nach ein paar weiteren Stationen im Jellyfisch zuerst als Koch und dann als Inhaber hier sein derzeitiges zu Hause fand.
Zu unserem Tisch fanden dann auch drei handwerkliche Schmuckstücke ihren Weg zu unserem Tisch: Eine Dashi Macaron (oben links), ein Bruschetta mit einer Fake-Tomate (oben rechts) und eine Art Matjes-Praline. Alles sehr, sehr schön anzusehen und ein beeindruckender Einstieg in das Menü.
Brot gab es danach auch, der „Blumenkasten“ rechts ist ein Hummus mit recht vielen Blüten verziert. Meike schmeckte das sehr gut, Jens war dagegen mit der Butter sehr zufrieden. Wobei das Brot hier nur eine Nebenrolle spielte, aber dennoch lecker war.
Amouse Bouche: Ein Zander, in Weißwurst-Wasser gebraten und mit einem so unglaublich intensiven Weißwurst-Geschmack, dass wir kurz überlegt haben, ob man das blind hätte erkennen können. Natürlich war die Textur etwas anders, aber bei einem großen Bissen war es schon sehr ählich.
Sehr kreativ, sehr spannend und mit einer gewissen Portion Humor versehen.
Dann ging das Menü selber los, traditionell, wie uns vom Service mitgeteilt wurde, mit einem vegetarischen Gang. Passenderweise „Salat“ genannt: Fenchel, Staudensellerie und Kohlrabi. Erinnerte uns sehr an die ersten Gänge im Tian letztes Jahr, war aber irgendwie doch etwas kräftiger und … verspielter. Der süß-kräftige Sud mit dem Öl fügte die einzelnen Komponenten recht gut zusammen, nur der „Keks“ war irgendwie fehl am Platze für uns. Aber so gab es dann auch etwas Textur zu dem eher weicheren Gang.
Aber schon ein starker Anfang, der sich, wenn auch mit immer größeren Platzproblemen, weiter fortsetzte. Wenn auch unser Nachbartisch ab und zu etwas nervte und so ziemlich jedes Klischee vom hochnäsigen „Ich mach was mit Medien“-Juppie erfüllte. Ich meine: In so ein Restaurant zu gehen und zu fragen, ob man das Menü auch nur als 4 Gang und in hoher Geschwindigkeit bekommen kann … naja, muss man auch wollen.
Wir nehmen uns die Zeit und genießen den Abend lieber angemessen. Erst Recht, wenn so ein Kunstwerk vor einem steht: Ein Cocktail von norwegischer Braunkrabbe mit Curry, Ananas und Kopfsalat. Auf dem Cocktail sind 3 Saucen / Dips / Cremes und wieder ein Öl im angegossenen Sud.
Sehr, sehr schön angerichtet. Sehr, sehr lecker. Und wir waren … naja, eben sehr, sehr zufrieden!
Wie gesagt: Der Service hatte auch seinen Anteil dabei, denn man konnte sich mit den Leuten sehr gut unterhalten, Fragen stellen und auch Witze machen.
Der nächste Gang war einer, auf den wir uns schon etwas gefreut haben und leider war es der Gang, wo wir als einziges etwas auszusetzen hatten. Es ging um die Miesmuscheln „Rheinische Art“. Die Muscheln waren nämlich etwas sandig bzw. schmeckten sandig. Irgendwie war es halt nicht so wie wir es auch gedacht haben. Wobei die anderen Komponenten sehr passend waren und auch der Riesling Sud sehr voll im Geschmack war.
Ach so, die Weinbegleitung schwankte zwischen klassischen Begleitungen wie einem Riesling zu den Muscheln und echten Entdeckungen wie einen sizilianischen Wein zur Braunkrabbe.
Und der nächste Gang war dann ein echter Knaller: „Wiener Schnitzel“ nur mit Seeteufel!
Festes, fast schon saftiges Fleisch, schöne Pannade, ein kleiner Klecks Preiselbeeren auf Zitronengel. Oben eine Nocke Kartoffelsalat getoppt von einem echt sehr guten Gurkensalat und ein paar Fischeier.
Das war fantastisch! Bekanntlich schmeckt ja alles besser, wenn es frittiert wurde. Aber so einen Edelfisch in der Qualität noch so fest und saftig zu bekommen, obwohl er in Fett gebraten wurde, ist besonders. Wir waren hier echt begeistert und werden es noch eine Weile sein.
Wein-technisch ging es beim nächsten Gang mit einem Wein aus dem Burgenland von Christian Tschida. Genauer gesagt vom Neusiedlersee. Etwas an den berühmt, berüchtigten Uhudler erinnernd aber nicht so sauer.
Hier gab es eine etwas längere Pause im Service, da zwei größere Gruppen eingetroffen waren und in der Küche immer wieder dazwischen geschoben werden mussten.
Dann aber kam der isländische Rotbarsch zu uns (glücklicherweise mit einem wieder etwas kleineren Teller) mit Aubergine, Salzkräutern und einem Safranschaum. Gerade die Salzkräuter mit dem Schaum waren sehr lecker und passten zum Fisch.
Danach gönnten wir uns einen Zusatzgang: Miyazaki Wagyu A5! Da sind wir doch eher Bauch-gesteuert und haben so ziemlich gar keine Selbstkontrolle. Was in diesem Fall gut war, denn das Ganze war sehr gut gemacht. Einziger Wehrmutstropfen war, dass im Fleisch eine Sehne war, die in zwei Bissen etwas das Erlebnis getrübt hat. Das Knochenmark dagegen hat eine wunderbare Aromenwelt zu dem Gang hinzugefügt und die Sehne fast vergessen lassen.
Nun … der Gang danach hat uns ehrlicherweise ein bisschen zu diesem Restaurant tendieren lassen. Und wir haben ein oder zweimal beim Service erwähnt, dass wir wissen, was ein „Halve Hahn“ ist … was dazu geführt hat, dass wir mehrfach darauf angesprochen wurden, wie wir diese Interpretation hier gefunden haben.
Wie fanden wir es? Sehr kreativ, sehr lustig und tatsächlich auch sehr lecker. Auch wenn der Fake-Käse links eher an Scheibletten erinnerte als an alten Gouda. Die Senfkörner waren dagegen recht weich und nicht zu scharf. Die Zwiebelchen übertönten nichts und die Röggelchen-Chips passen sehr gut.
Brauhaus Halve Hahn 2.0, quasi. Echt gut gemacht.
Der Patissier, dessen Idee auch der Halve Hahn war, ging danach nochmal steil. Der Nachtisch, „Mon Cheri“ getauft, hatte bedurfte der längsten Erklärung des ganzen Menüs, denn alleine in dem kleinen Törtchen waren 3 Cremes verarbeitet. Also innen drin.
Neuer Trend irgendwie ist das Olivenöl, was aber als Sud oder in dem Olivenöl-Eis sehr gut zu dem Törtchen passte.
Ein fantastisches Ende von diesem Menü. Handwerklich weit über dem „Standard-1-Stern-Restaurant“, wenn es sowas überhaupt gibt. Aber wir hatten das Gefühl, dass es hier immer noch etwas kreativer, handwerklich feiner und mit 1-2 Komponenten mehr von Statten geht. Was Spaß machte und jeden Gang für uns spannend gemacht hat.
Die Pralinen waren dann ebenfalls … viele! Leider schafften wir nicht mehr alle, wobei Meikes Wünsche generell mit einem „OK, ich gebe ihnen mal 2 davon …“ beantwortet wurden. Gute Wahl.
Auch wenn wir nicht mehr so genau wissen, was wir alles gegessen haben. Die Lollies waren Basilikum, soviel wissen wir noch.
Wir waren sehr glücklich! Und so langsam auch mal wieder mit die letzten im Restaurant. Naja, das sind wir ja gewohnt.
Das Restaurant ist eine echte Perle (Haha, Hamburg, meine Perle und so …) und wir sind uns sicher, dass hier eigentlich nach einem zweiten Stern gegriffen wird. Nicht nur dadurch zogen sich für uns diverse Parallelen zum La Societe in Köln, auch der Fokus auf dem netten und nahbaren Service sowie das feine Handwerk und der Humor in den Gängen passt zu dem, was wir in Köln von Leon Hofmockel kennen und schätzen. Und das Jellyfish mit einem unserer Lieblings-Restaurants zu vergleichen … mehr Lob können wir eigentlich nicht vergeben.