Der Abreisetag ist ja immer so eine Sache. Einerseits freut man sich ja auch irgendwie auf zu Hause, andererseits ist natürlich jeder Urlaub zu kurz. Und der Abreisetag hat ja auch immer die logistische Seite, denn man muss packen, zum Flughafen oder Bahnhof kommen und dann nach Hause reisen. Und auch in Deutschland gibt es dann immer noch eine gewisse Strecke zurück zu legen.
Kurz: Der Abreisetag hat gute Möglichkeiten kein guter Tag zu werden. Dieser heute würde anders werden.
Im Vorfeld hatten wir uns schon ein paar Ideen zurecht gelegt, die wir je nach Wetter aus dem metaphorischen Hut zaubern können. Und weil wir es auch können, haben wir einen Late Check-Out angekündigt und konnten so bis 13 Uhr im Zimmer bleiben. Nicht, dass wir das brauchten, denn um 9 Uhr waren wir relativ wach und das Wetter draußen lockte dann schon sehr.
Also wurden die Koffer gepackt, die Rucksäcke auf den Rückflug vorbereitet und um halb 11 ausgecheckt. Die Koffer wurden im Hotel deponiert, wobei auf die Idee anscheinend viele gekommen waren, denn es standen etwa 30 Koffer in der Lobby herum. Immerhin schien der Portier den Überblick zu haben und so ging es für uns recht schnell raus auf die Straße und ein letztes Mal durch New York.
Bei gutem Wetter wollten wir, so hatten wir uns vorher überlegt, zum Ground Zero und zum dortigen 9/11 Memorial gehen. Unsere Hoffnung war, dass es an diesem Montag eher weniger Besucher hatte und wir die Atmosphäre etwas genießen können, soweit dies an diesem eher traurigen Ort geht.
Also raus in Richtung Times Square, weil von dort die Subway dort hin fährt.
Eine kurze Fahrt später standen wir dann an dem „Ground Zero“ genannten Ort, an dem am 11.9.2001 etwas passierte, was am Ende 2983 Todesopfer fordert und die Welt nachhaltig verändert hat: Dem Anschlag auf das World Trade Center.
Heute befinden sich dort ein beeindruckendes Memorial, dessen Zentrum durch das Mahnmal „Reflecting Absence“ gebildet wird. Die beiden an die Fundamente der zerstörten Zwillingstürme erinnernden Becken haben in der Mitte ein Wasserbassin, in das Wasser fließt. Am Rand befinden sich auf hüfthohen Wänden die Namen der 2983 Opfer in zwei Galerien aus Stein eingraviert. Ein Namensverzeichnis hilft den Angehörigen bei der Orientierung. Nur ein Vorhang aus Wasser trennt die Besucher vom Becken.
Um dieses Memorial herum sind inzwischen viele neue Gebäude entstanden, so unter anderem das One World Trade Center, wo wir später noch hingehen wollten. Für die unter dem Areal verlaufende PATH Eisenbahn wurde die neue Station „World Trade Center“ erbaut, die darüber liegende Haupthalle wird „Oculus“ genannt und sah schon einmal beindruckend aus. Etwas Farbe brachte witzigerweise eine PopUp-Brauerei daneben ins Spiel, denn ansonsten dominierten hier Glas, Stahl und dunkle Farben.
Und das Memorial selber war beeindruckend und erinnerte an einen Moment in der Geschichte, wo vermutlich 99 von 100 Menschen heute noch wissen, wo sie zu dem Zeitpunkt waren.
Das National September 11 Memorial and Museum, umgangssprachlich auch nur 9/11 Memorial genannt, war dann unser nächste Ziel. Hier findet sich eine 2014 eröffnetes Museum und Gedenkstätte, was sowohl an die Terroranschläge am 11. September 2001 sowie den Bombenanschlags von 1993 auf das World Trade Center erinnerte.
Sehr, sehr genau wurde hier der Hergang am 11. September dokumentiert. Wie die Flüge nach und nach gekapert wurden und was wann wo passiert ist.
Neben den harten Fakten wurde auch den Geschichten der Menschen in New York, den Opfern, den Angehörigen und auch den anderen Betroffenen oder auch nur einfachen Menschen viel Raum gegeben, was das Ganze sehr nahbar machte.
Das sich im Untergrund der Gedenkstätte befindliche Museum beherbergt 40.000 Bilder, 14.000 Artefakte, 3.500 Audio-Aufnahmen und über 500 Stunden aufgezeichnetes Video-Material. Teilweise wurden die alten Fundamente des WTC noch stehen gelassen und dies erschuf ebenfalls eine sehr reales Gefühl dessen, was damals passiert ist.
Hier beispielsweise die Plakette, die bei der Grundsteinlegung des WTC 1973 in das Fundament gelegt wurde.
In der eigentlichen Ausstellung herrschte Fotoverbot, woran wir uns natürlich gehalten haben. Beeindruckend war, dass dort bei manchen Videoaufnahmen stand, dass diese Aufnahmen verstörend sein konnte und an vielen Ecken dann Boxen mit Taschentüchern standen, sollten einen die Emotionen überkommen.
Was angesichts der doch eindrücklichen Schilderungen schnell passieren konnte, zum Beispiel wenn man die flehenden „Ich suche jemanden“ Anschläge an einer nahen Kirche wirklich durchlas.
Das Ziel des Museums ist es unter anderem: „May the lives remembered, the deeds recognized, and the spirit reawakened be eternal beacons, which reaffirm respect for life, strengthen our resolve to preserve freedom, and inspire an end to hatred, ignorance and intolerance.“ Und das wurde ganz gut gemacht, denn großen Patriotismus sahen wir nicht, was für die USA ja eher selten ist. Alles war sehr gedämpft und oft las und hörte man zum Beispiel den Spruch, dass dies Terrorismus war und nichts mit Religion oder anderen Dingen zu tun hat. Ein Zitat eines Islamgelehrten war beispielsweise, dass die Attentäter seiner Meinung nach ihren Glauben verraten haben.
Beeindruckend ist dieses Museum wahrhaftig. Beispielsweise wenn man vor der „Blue Wall“ steht, einer Wand aus 2983 blauen Kacheln. Hinter der sich übrigens die Überreste vieler Opfer des Anschlages befinden. Man schaute also auf eine Grabstätte, was man aber erst auf den zweiten Blick erkannte.
Wie gesagt, im eigentlichen Museum durfte man nicht fotografieren und es war auch sehr voll dort. Wir fanden es aber, dass es eine sehr respektvolle und teilweise angemessen harte Art und Weise war, an diese Tragödie zu erinnern.
Ähnlich beeindruckend fanden wir eigentlich bislang nur die Atombomben-Gedenkstätte in Hiroshima, wo ebenfalls der Fokus auf den Tatsachen und den Geschichten der Menschen lag und es keine Schuldzuweisung an Länder oder Religionen oder sonstwen gab.
Fast schon surreal war es dann wieder in die Sonne und den blauen Himmel zu treten.
Bei einem kleinen Spaziergang tauschten wir uns über die Geschichten aus, die jeder von uns gelesen hatte. Und überlegten auch ein wenig, was wir als nächsten tun sollten.
Aber wenn wir schon einmal hier waren und außerdem dieses Wetter hatten, dann wollten wir auch knallhart alles machen, was man als Tourist so macht. Und hier bedeutet dies, für knappe 100 US Dollar auf die Aussichtsplattform des One World Trade Centers zu fahren. Denn wie sollten diese Bedingungen dafür noch besser werden?
Gut, der Wind hätte weniger sein können, denn durch die Böen hatten sich die Express-Aufzüge automatisch abgeschaltet und wir konnten erst einmal eine Weile warten, bis sie wieder aktiviert werden konnten. Der Herr vorne links war dabei außergewöhnlich ungeduldig und nervte den armen Angestellten so lange, bis der ihn einfach zum Ticketschalter schickte, damit er sein Geld wieder bekommt.
Als dann alles wieder ruhig genug war, konnten wir als erste einen Aufzug betreten und fuhren mit diesem in die 101. Etage zu den Aussichtsplattformen auf 406 Metern.
Und hier merkten wir, wie gut unsere Idee war: Denn durch den Wind und den Ausfall der Aufzüge waren wir am Anfang fast alleine hier und hatten die Aussichtsbereiche für uns. Und einen Blick wie vermutlich nur wenige ihn von hier oben aus hatten.
Kaltes Wetter, Sonne, keine Wolke … ein unglaublicher Weitblick!
Also einfach mal eine Runde herumgehen und genießen. Vom Blick in Richtung Meer, die Freiheitsstatue und Staten Island über den Blick nach Westen und Newark in New Jersey bis zum Blick Manhattan rauf in Richtung Central Park und den Blick gen Osten nach Brooklyn und die Brücken. Ein bisschen ärgerlich war es schon, dass wir die Kamera nicht dabei hatten, sondern nur unsere beiden Handys, aber die Fotos gelangen trotzdem bis auf ein paar Spiegelungen ganz gut.
Flugzeuge im Anflug auf Newark gab es auch.
Aber der Blick Manhattan rauf wird uns noch lange in Erinnerung bleiben, wenn nicht für immer.
Und 20 Minuten später war immer noch nicht viel los. Wie cool war das denn?
Also gingen wir noch eine Runde. Weil: Wir hatten ja Zeit!
Dann ging es aber hinunter, wo wir dann noch mehr Glück hatten, denn unten angekommen erfuhren wir, dass der Turm wieder gesperrt wurde, weil der Wind jetzt dauerhaft zugenommen hat und sie bis auf weiteres niemanden mehr hinauf lassen. Wir hatten also genau die Lücke abgepasst (oder besser getroffen), in der man hinauf konnte an diesem sonnigen Tag im März.
Was für ein Glück!
Inzwischen war es früher Nachmittag geworden und Hunger stellte sich ein. Im Urlaub hatten wir schon so ziemlich alles, von Fast Food über Seafood, leichtes Lunch Essen bis hin zu Sushi, mexikanisch und Fine Dining. Was wir noch nicht hatten, war Steak.
Also schnell ein Steakhouse gesucht, glücklicherweise gab es im Falstaff die letzten Monate einen Artikel genau über Steakhäuser in NYC, und ab zur Haltestelle „World Trade Center“.
Auch um den Oculus mal von Innen zu sehen. Sieht schon beeindruckend aus.
Unten war es aus nachvollziehbare Gründen auch alles neu und sauber, weswegen wir einfach in eine einfahrende Linie E einstiegen und wieder Uptown fuhren.
Unser Ziel war wieder der Theater District, genauer gesagt zur 50. Straße. Dort einmal abgebogen (so langsam finden wir uns wieder richtig gut zurecht, schade, dass wir heute abreisen) und schon standen wir vor unserem Ziel: Dem Gallaghers Steakhouse.
Eröffnet 1927 bietet das Steakhouse eine ordentliche Bandbreite an Steaks und Cuts. Und ist eines der alten, sehr traditionellen Steakhäuser der Stadt. Und somit genau das richtig zum Abschluss.
Innen bekamen wir einen Hochtisch in einer Ecke, so das wir das ganze Restaurant im Blick hatten. Eigentlich war das ein Tisch für 3 Personen, aber weil wir anscheinend nett aussehen, wurden wir dort platziert. Am Anfang war es, da es früher Nachmittag war, noch recht leer aber am Ende waren fast alle Tische belegt.
Zu trinken gab es einen wunderbaren Geyserville der Ridge Vineyards in Kalifornien, ein organischer Cuvee aus 76% Zinfandel, 16% Carignane, 6% Petite Sirah, 2% Alicante Bouschet. Zu Steak ein wahrer Traum!
Vorspeisen gönnten wir uns auch: Ein Tartar für Jens, was gut und lecker war, aber ein, zwei sehr große, schlecht zerteilte Stücke hatte. Tatsächlich war das Fleisch mit einer Maschine zerteilt, was man erkennen konnte, und daher etwas matschig. Aber gut gewürzt.
Meike orderte eine Vorspeise auf Empfehlung unseres super netten Kellner: Frittierte Calamari mit einer echt guten Tomaten-Sauce.
Generell waren alle Kellner im Anzug gekleidet, alle Barkeeper trugen weißen Zwirn und selbst die Abräumer waren akkurat gekleidet. Was sie nicht davon abgehalten hat, super witzig und teilweise schon etwas derb zu sein. Mit „unserem“ Kellner hatten wir dann noch ein paar Gespräche über Weingüter in Deutschland, denn seine Frau bereitete sich gerade auf eine Weinprüfung vor, um sich in Richtung Sommelier weiter zu bilden.
Besitzer Dean Poll kam übrigens auch an unseren Tisch und fragte, ob alles in Ordnung wäre, er hätte gehört, dass wir aus Deutschland seien. Unsere (oft genutzte) Antwort, dass es uns ärgert, dass wir nicht zu meckern hätten, hat auch ihn gut amüsiert.
Und dann war Zeit für den Grund, warum man in ein Steakhaus geht: Die Steaks!
Bone-In, marbeled Sirloin für Jens …
… und, tatsächlich ein „kleines“ Filet Mignon für Meike. Dazu dann noch Pommes und Spinat.
Medium-Rare auf den Punkt.
Und weil wir uns gut fühlten, der Urlaub bald vorbei war und wir noch ein bisschen Hunger hatten, bestellten wir den Cheesecake und den Schokokuchen.
Tja … und hierfür wurde der Begriff „Da waren die Augen wohl größer als der Magen“ erfunden.
Selbst der empfohlene Bourbon half da nicht mehr beim Verdauen der gefühlten 10.000 Kalorien pro Stück, aber da kann das Steakhaus ja nichts für.
Eine gute Idee hier hin zu gehen und generell ein mehr als passender Abschluss für New York und den USA Urlaub generell. Fast schon klischeehaft gut.
Und wegen der vollen Mägen ging es dann zu Fuß zurück zum Hotel.
Und in der Hotelbar warteten wir dann noch eine Weile, bis es Zeit zum Aufbruch in Richtung JFK Airport war.
Jetzt geht es wirklich nach Hause. Und das mit einem guten Gefühl, denn der Urlaub war wunderschön und auch der oft durchwachsene „letzte Tag“ entpuppte sich als Volltreffer!