Für den letzten vollen Tag des Urlaubs, einen Sonntag, hatten wir uns vorab schon in der Tat für den Fokus auf Brooklyn entschieden. Daher war auch unser Abendessen in diesem Borough geplant, was leider, da wir den Tag über irgendwann geschwächelt haben und wieder zum Hotel gefahren sind, sehr viel Bahnfahren bedeutet hat. Was für Jens jetzt irgendwie nicht so das Problem war … 😉
Aber für das Abendessen hatten wir ebenfalls vor einiger Zeit in einem sehr interessanten und ebenfalls, wie das Jungsik, von diversen Quellen gut bewerteten Restaurant reserviert und auf den heutigen Abend freuten wir uns wieder sehr. Es ging in den nördlichen Teil von Brooklyn, genauer gesagt nach Greenpoint in das mexikanische Restaurant Oxomoco.
Vorher wurde noch etwas IT-Nerd Humor ausgelebt. Die dort anwesenden Einheimischen dachten vermutlich, dass Jens ein wirrer Food Truck Fan war …
Allgemein fiel uns auf dem Weg zum Restaurant auf, dass Greenpoint ein echt schöner Stadtteil von Brooklyn ist. Die Nachbarschaft hat eine große polnisch-amerikanische Gemeinschaft mit polnischen Restaurants, Märkten und Geschäften und wird oft als „Little Poland“ bezeichnet und hier leben etwa 40.000 Einwohner. Allgemein war es eher ruhig und sehr aufgeräumt.
Das Oxomoco liegt an der Greenpoint Avenue und besticht dadurch, dass es sehr unscheinbar aussieht und durch den Pavillon sogar fast nicht richtig erkennbar ist.
Innen drin ging es aber gleich zur Sache: Es war laut, es war voller Menschen und es war super schön. Genau das Level an Chaos, was uns gefällt.
Was uns auch gefallen hat: Wir konnten noch an den Chef´s Table mit direktem Blick in die Küche, in der 3 Köche um Chef de Cuisine Emilio Cerra (vorne rechts gerade etwas am anrichten) und unter anderem Edith Proy am Pass die hereinkommenden Bestellungen in meistens geordneter Reihenfolge abarbeiteten.
Schon beim Hinsetzen wurden uns die Hähnchen empfohlen, die servierfertig und sehr verlockend gleich vor unserer Nase hingen.
Wie gesagt hatten wir uns noch nie so richtig mit der mexikanischen Küche außerhalb der üblichen Adressen in Köln beschäftigt. Dabei gibt es in Mexiko eine spannende Kombination aus kolumbischer und spanischer, aber auch französischer, arabischer und karibischer Gerichten, in der vor allem Mais, Bohnen, scharfe und milde Chilis, Früchte und bestimmte Gemüsesorten dominieren. Es gibt in Mexiko auch verschiedene Regionalküchen, die sich deutlich voneinander unterscheiden. Im Norden herrscht der Einfluss der spanischen Küche vor, während sich im Süden die indigene Küche stärker erhalten hat. Und die mexikanische Küche wird als immaterielles Weltkulturerbe anerkannt.
Und das macht nicht vor der lokalen Küche halt, denn auf der Top 50 Liste ist beispielsweise auf Platz 13 das Pujol und auf Platz 49 das Rosetta, beide aus Mexiko.
Insofern war es nur logisch einen sehr guten Wein von der Baja California zu ordern.
Und so saßen wir da und vergaßen beinahe unsere Bestellung, weil wir so fasziniert dem Takt des Orchesters vor uns zuschauten, wie vom Pass aus die Bestellungen organisiert und so geordnet wurden, dass die Köche jeder genau wussten, welcher Gang als nächstes und gegebenenfalls als übernächstes vorzubereiten war. Die Köche lieferten dann ihre Ergebnisse an den Pass, wo der letzte Feinschliff vorgenommen wurde oder sogar, einmal ist das vorgekommen, Chef Cerra einen Gang komplett wegegeworfen hat, weil er nicht seinem Anspruch genügte.
Unsere nette, mexikanische Bedienung erinnerte uns derweil ein, zwei Mal daran, dass wir auch was bestellen können und nicht nur Wein trinken müssen. Daher war es nur sinnvoll, dass wir erst einmal zwei Vorspeisen oder auch Snacks, so genau war die Karte da nicht, bestellten: Eine geräucherte Mango mit Chili und Limette sowie Popcorn mit einem Mole-Öl und Escabeche Pulver bestreut.
Wenn die hier Chili meinen, dann meinen die auch wirklich Chili. Die Mango war da aber der passende Gegenpunkt und überraschend weich, fast schon wie Gummibärchen. Super lecker genau so wie das Popcorn, was hervorragend zwischen den einzelnen Gerichten gegessen werden konnte.
Es gibt hier kein Menü, zumindest haben wir keines gesehen. Und wir waren fast schon froh darüber, denn so konnten wir frei von der Karte bestellen. Unsere Bedienung haben wir auch nach ihrer Empfehlung gefragt und die natürlich auch mit geordert. Und notfalls hätte man ja auch immer nachbestellen können, sollte noch Hunger bestehen.
Nach ein wenig Wartezeit in der wir andauernd meinten „Ist das nicht unser Gericht? Oder das da hinten? Oder vielleicht das da vorne?“ kam unser Gericht tatsächlich aus dem für uns nicht sichtbare Bereich. Es handelte sich um einen Tostada mit in Sojasauce mariniertem Thunfisch, Avocado und einer Salsa Macha, welche aus mehreren Chilies (ja genau, CHILIES!), Erdnüssen, Sesam, Essig, Salz, Öl und mexikanischem Oregano besteht. Und süchtig macht.
Was für ein Beginn! Jetzt nicht gerade ein „Fine Dining“ Gericht, aber voller Aromen, stark und kraftvoll. Der Thunfisch etwas kalt aber dadurch auch Wärmetechnisch ein schöner Gegenpunkt zum Tostada darunter.
Den nächsten Gang hatte Jens schon beim Hereinkommen gesehen und wollte ihn unbedingt haben: Punta Verde Ceasar. Also im Grunde genommen ein Ceasars Salad. Nur in Cool!
Der Salat wird hier nämlich auf offener Flamme geröstet, dazu gibt es eine sagenhafte Sauce, Radieschen, einem Crunch aus einem der Eckpfeiler der mexikanischen Küche, der in seiner jungen Form darüber gerieben war: Cotija Käse! Dies ist ein mindestens 100 Tage gereifter Kuhkäse ursprünglich aus dem mexikanischen Bundesstaat Michoacán.
Sagenhafter Gang: So einfach und doch so geschmackvoll. So grob und doch sehr fein im Geschmack, da der Romana-Salat innen weich und außen röstig, aber nicht verbrannt war.
Die Hähnchen gingen derweil sehr gut. Und auch die Tacos, denn links im Bild war die Dame von Anfang unseres Besuches bis zum Ende in einer Tour dabei Taco mit einem kleinen Gerät zu formen, in das sie immer wieder kleine Teiglinge einlegte, sie mit dem Stempel rund drückte und dann die fertigen Taco-Rohlinge zur Seite zu geben, wo sie vermutlich zubereitet wurden. Alleine dieser Dame, die am Ende nur noch „Taco Queen“ nannten zu zuschauen hatte schon was therapeutisches, denn sie lies sich von überhaupt nix ablecken und machte ihr Ding. Egal wie laut die Ansagen waren oder mit welcher Intensität nach dem Service gerufen wurde.
Die „Service!“ Rufe wurden nämlich mit längere Wartezeit lauter und energischer.
Der nächste Gang wurde uns empfohlen und es war eine gute Empfehlung: Süßkartoffel Tiayuda, was ein leicht frittierter Tortilla ist, auf den ein Püree aus Süßkartoffeln, eine Paste aus Mole und gewürzte braune Butter sowie frittierter Salbei kommt. Dazu noch ein paar Nüsse.
Das Ganze ist ein sehr traditionelles Gericht aus der Gegend um Oaxaca im Süd-Westen von Mexiko. Der fertige Tortilla wurde übrigens vor uns auf dem Grill noch einmal von unten geröstet, was noch einmal etwas Aroma dazu gab. Im Original kann auch Fleisch darauf sein, aber unserer hier war vegetarisch.
Wenn wir ein Gericht nennen müssten, was quasi „Mexiko!“ geschrien hat, es wäre das hier! Aromatisch so stark, so dicht wie wir noch nie einen Tortilla gegessen haben. Und vielleicht ist Mexiko gerade auf unserer ToDo-Liste doch stark nach oben gerutscht … (geschrieben, während nach Flügen gesucht wird) 😉
Tacos gibt es ja auch noch – ursprünglich hatten wir mehrere geplant. Gut, dass wir uns da etwas beherrscht haben, denn viel Platz war nicht mehr. Das gezupfte Lamm mit Wasserkresse, Salsa Pipica (was Koriander ist) wurde offensichtlich mit Chilies gefüttert. Aber der Sorte, die man so gerade überlebt, wenn sie nachher den Kunden erreichen.
Auch hier wieder: Intensiv, starke Aromen aber alles irgendwie balanciert. Die Schärfe wurde durch den Taco gut aufgenommen, aber nicht neutralisiert.
Ahhh, war das gut! Und leider waren wir mehr oder weniger satt, denn wir hätten gerne noch viel, viel mehr von der Karte mit knapp 15 warmen Speisen und ein paar Vorspeisen probiert. Aber überfressen wollten wir uns auch nicht, das wäre dem Essen und dem Erlebnis nicht angemessen gewesen.
Daher war es nur logisch, dass die Küche Feierabend machte.
Nein, Spaß. Der nächste Schwung an Reservierungen sollte was später erst kommen und die Zeit nutzte die Crew dafür die Küche aufzuräumen, einzeln eine kurze Pause zu machen und das Mise en place aufzufüllen.
Oder im Falle dieses Kochs das letzte Hähnchen zu zerteilen.
Einzelne Gänge wurden dann noch nachbestellt und wir hatten weiterhin beste Unterhalten. Nicht, dass wir uns nicht auch miteinander unterhalten hätten, aber so nah an so einer Küche zu sitzen passiert eben auch nicht oft.
Meike ging auf Toilette, denn dort war gerade keine Schlange was kürzer (auch etwas, was man in einem Gourmet Restaurant jetzt eher seltener hat) und dies wurde von der Bedienung und Jens für eine oder vielleicht auch zwei kleine Mezcal-Bestellung genutzt.
Und als Meike wieder da war, wurde dies wiederum für eine Nachtisch-Bestellung genutzt: Eine sündige Schoko-Tarte mit einer Zitronen-Creme und Kräutern.
Und, vielleicht weil wir auch wieder viel mit den Bedienungen geredet und gefragt haben, vielleicht weil es auch einfach nur übrig war, gab es noch eine neue Nachtisch-Kreation aufs Haus: Frucht-Granite mit gerösteten Erdnüssen und einer Milch-Creme darunter.
Im Gratis-Nachtisch war noch irgendein Kraut, was wir nicht identifizieren konnten. Was angesichts der für uns sichtbaren (die Küche ging da hinten wie gesagt noch nach rechts weiter) Kräuter, Öle und Döschen nicht weiter verwunderlich ist.
Ach, das Restaurant hat uns irgendwie sehr, sehr gefallen. Und den dezent hinter der Tür zur Küche hin angebrachten Plaketten nach nicht nur uns …
Wir waren aber leider, wie gesagt, satt und zufrieden und verließen, nachdem wir uns bei den Köchen und dem Service ausgiebig bedankt haben, das Restaurant. Was immer noch sehr hektisch und voller Leben war. Für einen Sonntag Abend nicht schlecht.
Und in unserer Hochstimmung war uns nicht nach dem Hotelzimmer, also suchten wir was in der Gegend, wo wir noch vielleicht ein Bierchen trinken können.
Und hat uns Greensboro schon vorher gefallen …
… war es nach einer kurzen (und nachdem wir nachher auf Google Maps geschaut haben, völlig sinnfreien) Fahrt mit der Subway ein Stadtteil, der uns wirklich sehr, sehr gefällt und in dem wir nicht zum letzten Mal waren.
Denn hier gab es eine Craftbeer-Bar namens Tørst mit einem Kölsch-Angebot! 3 US Dollar für eine Stange. Ja genau, die haben hier eine Kölsch-Stangen, für die Fälle, in denen sie ein Kölsch am Zapfhahn haben.
Über das Cold Call Kölsch der Hopewell Brewing Company fanden wir dann auch noch einen neuen Untappd-Freund, der witzigerweise ein Blog über die Craftbeer Szene von Brooklyn hat. Na den werden wir wohl dann kontaktieren, wenn wir wieder zurück kommen.
Viele Kölsch waren es dann aber nicht (obwohl … eigentlich waren es schon viele), als wir dann zurück nach Manhattan via Long Island City fuhren.
Überraschend selten fahren hier die Bahnen, aber wir hatten so gute Laune, dass uns das auch egal war.
Und kurz nach Mitternacht waren wir wieder in Manhattan.
Zwei Entdeckungen: Greensboro als Stadtteil und das Oxomoco als Restaurant. Und mehrere ToDos für uns, unter anderem Mexiko als kulinarische Destination zu entdecken.
Ein mehr als passender Abschluss für unsere Reise. Morgen würden wir erst einmal ausschlafen und dann schauen, was wir noch bis zum Abflug von JFK um 23:20 Uhr machen können. Spoiler: Überraschend viel!