Nachdem wir gestern Abend relativ spät ins Hotel zurück gekommen sind, haben wir heute erst einmal ausgeschlafen. Das konnten wir uns auch leisten, denn als nächsten geplanten Programmpunkt stand eine Food Tour um 12 Uhr an.
Als wir aber merkten, dass das Wetter tatsächlich ganz gut war, schleppten wir uns aus dem Bett, duschten und begannen unseren Tag mit einem kleinen Spaziergang durch Midtown.
Zur Erinnerung wo wir sind: Wir sind in New York, die mit 8,5 Millionen Menschen die größte Stadt der Vereinigten Staaten und eine der größten Städte der Welt. Die Einwohnerzahl hat sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts verdoppelt. Seit 1825 ist die Stadt durch die Lage am Atlantischen Ozean und den Wasserweg des Hudson Rivers ins Inland der Anlaufpunkt für Einwanderer aus der ganzen Welt. Die weitere Entwicklung machte New York zur größten Industriestadt und zur Finanzmetropole.
Die Bevölkerung der Stadt teilt sich in verschiedene Schichten auf. Die Oberschicht lebt überwiegend etwas außerhalb der Stadt beziehungsweise im teuren Stadtteil Manhattan. In New York gibt es zahlreiche Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaus und für sozial schwache Menschen und Familien verwaltet die städtische Wohnungsbaugesellschaft NYCHA insgesamt 178.000 Sozialwohnungen, in denen rund 400.000 Menschen leben. In einer Rangliste der Städte nach ihrer Lebensqualität belegte New York City im Jahre 2018 den 45. Platz unter 231 untersuchten Städten weltweit.
Das Stadtgebiet ist in fünf Stadtbezirke (Boroughs) geteilt und meistens wird Manhattan, wo wir gerade sind, mit New York gleich gesetzt. Manhattan hat etwa 1,65 Millionen Einwohner und besteht hauptsächlich aus der Insel Manhattan Island, die vom Hudson River im Westen, vom East River im Osten und vom Harlem River im Nordosten umflossen wird. Dazu kommen ein paar Inseln wie Roosevelt Island oder Governors Island.
Darüber hinaus gibt es noch Brooklyn mit knappen 2,5 Millionen Einwohnern und nach der niederländischen Stadt Breukelen benannt. Der größte Stadtteil ist Queens im Westen der City und der Ort wo die beiden größten Flughäfen der Stadt, der John F. Kennedy International Airport und der LaGuardia Airport, liegen.
Dann gibt es noch die berühmten Bronx im Norden, benannt nach dem ersten Siedler in der Gegend, dem Schweden Jonas Bronck, benannt. Zur damaligen Zeit wurde, um einen Besuch auf seiner Farm anzukündigen, gesagt „We are going to the Broncks“.
Und zuletzt gibt es noch Staten Island südwestlich von Manhattan und mit Brücken aus Brooklyn beziehungsweise mit einer Fähre von Manhattan erreichbar. Früher wurde auf Staten Island der ganze Müll der Stadt deponiert, was bis heute teilweise für Probleme mit Geruchsbelästigung sorgt. Auch die Trümmer des World Trade Centers wurden nach Staten Island gebracht.
Aber wie gesagt: Wir waren jetzt in Manhattan, genauer gesagt an dem Ort, der weltweit mit New York assoziiert wird: Dem Times Square.
Naja, wenn man da eh lang muss, kann man auch ein paar Fotos machen.
Und dann hatte Meike den Disney Shop entdeckt und … naja, noch so eine Regel im Urlaub.
Kurze Grüße an die dortigen I-Ahs!
Aber weder dort noch bei den Laserschwertern haben wir zugeschlagen. Im Gegensatz gerade zu den asiatischen Besuchern, die tütenweise Dinge einkauften.
Eher hätte uns was von Po, dem Drachenkrieger, interessiert. Aber den gab es nur im Kino zu sehen.
Westlich vom Times Square wurde es dann auch merklich ruhiger und auch die Häuser wurden etwas kleiner. Ein untrügliches Zeichen, dass man jetzt nicht gerade im touristischen Mittelpunkt der Stadt war. Und in diesem besonderen Fall ein Zeichen dafür, dass wir unser Ziel erreichten: Den Stadtteil Midtown West oder auch Clinton. Umgangssprachlich auch Hell´s Kitchen genannt.
Hunger hatten wir und insofern war es gut, dass wir gleich eine Food Tour durch Hell´s Kitchen besuchen würden.
Der ganze Stadtteil sah etwas anders aus, als man sich so Manhattan vorstellt. Alles ein bisschen kaputt, alles ein bisschen durcheinander aber auch alles irgendwie mit einer Prise Humor versehen.
Knappe 20 Minuten zu früh waren wir am Treffpunkt, dem japanischen Grill-Restaurant Gyu-Kaku. Eine Kette wie wir wissen, denn vor 2 Jahren haben wir in Toronto schon in dem dortigen Ableger gegessen. Aber eben mit genug Platz um als Treffpunkt für die Tour zu dienen.
Im Laden selber saßen schon zwei amerikanische Ehepaare und Jake, unser Guide. Jake kommt gebürtig aus Nashville und ist nach seinem College Abschluss nach New York gezogen, um dort als Schauspieler und als Stand Up Comedian zu arbeiten. 2019 war das. 2020 ist er dann mit Beginn der COVID Pandemie wieder zurück zu seinen Eltern gezogen und die Zeit bis da hin hat er New York nicht gerade lieben gelernt. Genauer gesagt war er in einer dysfunktionalen WG, völlig überteuert und in einem Raum ohne Fenster.
Der zweite Anlauf war dann erfolgsversprechender, denn neben der Arbeit als Tour Guide hat er ein paar Shows, besucht Schauspielunterricht und lebt in Brooklyn mit einem Freund.
Witzigerweise hatten wir 2014 beim gleichen Unternehmen eine Tour gebucht – damals durch Greenwich Village – und unser Guide damals war auch ein Comedian. Scheint irgendwie Einstellungsvoraussetzung zu sein bei Manhattan Food Tours.
Als dann alle da waren, wurden wir nach hinten an die Grillgeräte gebeten. Für jeweils 4 Personen gab es einen Grill und unseren teilten wir mit einem echt netten Paar aus Texas, die das sehr fein geschnittene und delikate japanische Rindfleisch gleich mal mit einem Wurf auf den Grill warfen. Und das Gemüse war komplett für uns. Da wurden gleich mal einige Klischees mental abgehackt.
Jake erzählte derweil über die Geschichte von Hell´s Kitchen, einem Stadtteil, der zwischen der 34. und der 59. Street und zwischen der Eighth Avenue und dem Hudson River liegt und in dem knappe 75.000 Menschen leben. Der eigentliche Name des Stadtteils lautet Clinton und erinnert an den früheren Gouverneur DeWitt Clinton, nach dem auch ein Park im Viertel benannt wurde. Der andere offizielle Name Midtown West hingegen wird vom benachbarten Geschäftsbezirk Midtown abgeleitet. Die Herkunft des Namens Hell’s Kitchen, welcher umgangssprachlich am häufigsten verwendet wird, ist etwas umstritten und es gibt dazu mehrere Theorien. Die Jake uns erzählte, während wir das Fleisch zubereiteten und aßen.
So kann es sein, dass der Name von einem Slum in London abgeleitet wurde und durch die vielen irischen Einwanderer hier hin transportiert wurde. Eine andere Theorie behauptet, dass der Name von einer Gang stammen könnte, die hier früher ihr Unwesen trieb. Ein anderer möglicher Ursprung des Namens wird auch im Roman Sleepers erwähnt: In der Gegend soll einmal eine deutschstämmige Familie namens Heil gelebt haben, die dort ein Restaurant mit dem Namen Heil’s Kitchen betrieben habe. Aus Heil’s Kitchen soll dann mit der Zeit Hell’s Kitchen geworden sein.
Außerdem gibt es noch die Legende von zwei Cops, die sich über den Stadtteil unterhalten haben, wobei der erfahrener Cop auf die Aussage seines junger Kollege „Das Viertel ist die reinste Hölle!“ antwortete „In der Hölle herrscht noch ein vergleichsweise mildes Klima. Das hier ist die Küche der Hölle!“.
Es wurde uns überlassen, welcher Geschichte wir Glauben schenken wollen.
Das Fleisch war dann auf jeden Fall aufgegessen und es ging zu Fuß ab durch den Stadtteil. Jake erzählte fortwährend über sich, seine Geschichte wie er nach New York kam und wie es ihm erging und schwenke immer wieder zu allgemeinen Informationen über Hell´s Kitchen und die Geschichten. Es war super unterhaltsam, lehrreich und lustig zu gleichen Anteilen.
Spannend zum Beispiel diese Housing Projekt, in dem Künstler stark subventionierte Wohnungen erhalten können. Wartezeit bis zu 15 Jahre und die Bedingung für eine Bewerbung sind mindestens 3 Jahre Berufserfahrung als KünstlerIn.
Wer da einmal einzieht, der bleibt dort angeblich bis zu seinem Tod. Oder bis man reich genug ist, die horrende Wohnungspreise in New York zu bezahlen, denn eine 2 Zimmer Wohnung kostet hier in einem nicht ganz so schlimmen Stadtteil so ab 4.000 Dollar pro Woche.
Ganz untypisch gab es als nächstes Cookies! Genauer gesagt die Lieblingscookies der Theater-Szene, die am nahen Broadway auftritt: Schmackary´s!
Guinness Cookie? Aber gerne doch!
Kalorientechnisch waren wir also schonmal für den Rest des Tages versorgt und konnte so die Umgebung und die weiteren Geschichten von Jake genießen.
Die große Hungersnot in Irland Mitte des 19. Jahrhunderts führte zu einer Massenauswanderung von Iren in die USA. Diese siedelten sich in Armenvierteln, Slums und nicht genehmigten Siedlungen in der Peripherie der Großstädte an. Oder besser gesagt mussten sie das, denn die Einwanderer wurden überwiegend ablehnend in Empfang genommen. Nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 gab es einen weiteren Bevölkerungsschub. Da es an staatlicher Ordnung fehlte, schlossen sich Einwohner in Banden und Gangs zusammen und sorgten schlicht selber für ihre Sicherheit. Eine der mächtigsten war Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts die jugendliche und sehr brutale Gopher Gang, die erst von „One Lung Curran“ und später „Owney Madden“ geführt wurde. In den 1920er Jahren eskalierte die Gewalt. Vor allem der Wettbewerb im illegalen Alkoholgeschäft während der Prohibition führte zu erbitterten Kämpfen und tödlicher Gewalt. Owney Madden konnte sich in diesen Kämpfen durchsetzen und wurde einer der gefürchtetsten Gangster der Stadt. Allerdings wurden auch die Gangster älter und durch den allgemeinen Niedergang der Docks, wo immer noch viele Menschen arbeiteten, wurde die Gegend immer ärmer und damit auch unattraktiver für die Gangs.
Weiter ging es dann mit der irischen Bande namens „Westies“, welche durch eine Allianz mit der Mafiabande der Gambino-Familie großen Einfluss im Stadtteil hatte. Gerade über die Westies und das Ende der Bande im Rahmen des RICO-Gesetzes Mitte der 80er Jahre hatte Jake einige Geschichten auf Lader. Wie die über Jimmy Coonan und seine Kumpane wie Mickey Featherstone oder „Paddy“ Dugan und wie sie sich gegenseitig unterstützen und am Ende auch verraten haben.
Diese Geschichten erzählte Jake wohl immer bei seinen Touren, wobei ihm das bei einer Tour vor ein paar Monaten fast im Halse stecken geblieben war, denn in seiner Tourgruppe war die Nichte von Jimmy Coonan, der bis an sein Lebensende vermutlich im Gefängnis bleiben wird. Wobei sie den meisten Geschichten nicht widersprochen hat, sie aber auch nicht bestätigen wollte.
Heute ist Hell’s Kitchen nicht mehr nur durch die irischstämmige Arbeiterklasse geprägt. Im Zuge der Gentrifizierung in den letzten Jahren sind immer mehr Amerikaner mit anderen ethnischen Hintergründen und Studenten hier hinzugezogen.
Und Teil des Wandels ist eben auch, dass man den Stadtteil nicht mehr nur im Notfall betritt, sondern hier eine sehr weltoffene Gemeinschaft gebildet hat und sich daher auch eine relativ breite Gastro-Szene entwickelt hat. Wobei es hier auch eine recht hohe Hipster-Dichte gibt.
Im Cheeseboat, unserem nächsten Halt, war es aber recht landestypisch. Georgisch in diesem Falle!
Keine Ahnung, warum wir immer so oft georgisch Essen im Urlaub, in Portland hatten wir einen georgischen Foodtruck und in Wien waren wir mittags Georgisch essen, aber uns gefällt es.
Zu Essen gab es Khachapuri, also ein Teig mit Käse und Ei drin, was dann verrührt wird.
Sehr lecker und wir konnten mit unserem Halbwissen über Georgien Punkten und sogar Jake was neues erzählen. OK, wir mussten uns auch mit Leute messen, die (hoffentlich nur zum Spaß) den Bundesstaat Georgia mit dem Land Georgien verwechselten.
Ach ja, Bier gibt es auch. Aber das war bei der Tour erst einmal kein Thema.
Nächster Halt war dann eine Insitution: Der Meatball Shop! Wobei das insofern beeindruckend ist, als das der Laden erst seit 2010 existiert, aber seitdem die Bekanntheitsskala steil aufsteigt.
Hier gab es leckeren Blumenkohl und zwei Arten von Meatballs. Wobei einer davon einem der beiden Iren, die uns gegenüber saßen, zum Verhängnis wurde. OK, das weiße Oberteil war auch prädestiniert für so ein Malheur.
Hier war es etwas lauter, weswegen wir eher das Ambiente genossen und weniger den Geschichten lauschten, die Jake weiterhin zum Besten gab.
Letzter Stop war gleich um die Ecke das Kashkaval Garden, ein mediterranes Restaurant, wo es … Cremes gab.
Nun gut, war für uns jetzt nicht so neu, denn ab und zu gehen wir ja auf den Wochenmarkt in Bergisch Gladbach zu Hassan und seinen bis zu 25 Cremes. Und ehrlich gesagt sind die alle spannender als die, die wir hier hatten. Ausnahme war die grün-weiße Creme oben im Bild, die aus Spinat mit Schafskäse bestand und echt gut geschmeckt hat.
Aber wir sind auch nicht der Durchschnittsbesucher dieser Tour und lustig war es trotzdem. Beispielsweise als Jens sich mit der anderen Irin (nicht die mit dem weißen Oberteil oder besser gesagt dem rot-weißen Oberteil seit dem letzten Halt) unterhielt und sie sich als großer Rugby Fan herausstellte. Die gerade laufenden 6 Nations wurden dann thematisiert und die Tatsache, dass gerade Schottland und Irland um den Sieg in derselben spielen, brachte ein paar freundliche Spannungen in die Diskussion.
Jake bedankte sich bei allen und nach und nach gingen auch alle los. Im Nachheinein hat Jake uns auch eine private eMail geschrieben und uns darin angeboten, dass wir ihn jederzeit Fragen stellen können, wenn wir oder Freunde von uns nach New York kommen. Er lebt dieses Tour Guide Ding wirklich mit jeder Faser seines Körpers und ist super hilfreich. Insofern werden wir das wohl auch in Anspruch nehmen, wenn wir das nächste Mal in die Stadt kommen.
Ein spontaner Ratschlag war dann die Bar Valhalla gleich um die Ecke, in der wir uns für ein Nachmittags-Bierchen einfanden und überlegten, was wir bis zum Abend noch machen wollen.
Mit der Bedienung unterhielten wir uns nett und auch die anderen Gäste waren ganz ok und ruhig bis dann leider etwas passierte, was in New York gar nicht mal so selten ist: Ein Obdachloser schwankte in den Laden und setzte sich mit seiner vollgepinkelten Hose auf einen Stuhl und fing an laut unverständliches Zeug herumzubrüllen. Schade für den Mann aber eben auch leider äußerst nervig. Tatsächlich versuchte der Koch, die Bedienung und eine weitere Damen den Herrn herauszubringen ohne ihn anzufassen. Nachher erfuhren wir, dass man in der Tat wenig Möglichkeiten hat, so eine Person ohne die Polizei aus dem eigenen Laden heraus zu befördern. In Zeiten von allgegenwärtigen Videoaufnahmegeräten und Social Media kann sowas schnell zu einem Shit-Storm werden, der das Geschäft zerstören kann.
Nach etwa 30 Minuten ging der Mann dann hinaus und direkt in ein Taxi, warum auch immer. Gerade die Bedienung entschuldigte sich die ganze Zeit bei uns für die Umstände und nachdem er raus war, wurde der ganze Tisch und die Stühle desinfiziert.
Das gehört leider zum heutigen New York dazu, denn ein richtiges soziales Netz gibt es hier nicht. Was uns als Europäer oder auch als Deutsche mal echt zu denken geben sollte, in welchem vergleichsweise guten System wir so leben dürfen.
Unsere Stimmung stieg aber sehr schnell wieder an, erst Recht nachdem Jens auf der Herrentoilette einen Lachanfall bekommen hat, nachdem er die Türverkleidung gesehen hat.
Warum hier eine Tafel von Gaffel Kölsch hing konnte uns niemand genau sagen. War halt da.
So um halb 4 machten wir uns dann auf, denn wir hatten eine Idee, was wir als nächstes machen wollen: Es geht auf die Insel!