Nachdem wir uns nun also den Vormittag unter lauter Überfliegern und super Schlaubergern herum getrieben haben, ging es dann zu einem etwas … volksnäheren Ort. Und dazu mussten wir mit dem Bus fahren.
Was hier noch erstaunlich gut funktioniert hat. Zu schätzen würden wir das aber erst später wissen, als es nicht mehr gut geklappt hat – dazu aber später mehr.
Einmal umsteigen später und mit ein wenig Fußmarsch durch den Stadtteil Fenway-Kenmore tauchte unser Ziel dann auch plötzlich auf.
Der Fenway Park! Dieser ist das Baseballstadion der Boston Red Sox und es passen etwa 37.700 Zuschauer rein, was es zum dritt kleinsten Stadion der MLB macht. Dies ist aber nicht das Besondere hier, besonders ist das Stadion, weil es am 20. April 1912 eröffnet wurde und somit das älteste, noch in Benutzung befindliche Stadion der Liga ist. Und wer die MLB kennt weiß, dass hier Traditionen ein großes Ding sind.
Schon die Schalter zum Kartenverkauf sahen schon alt aus, hatte aber dennoch sehr viel Charme.
Hier erstanden wir zwei Tickets für eine Stadionführung, die dann (passenderweise) im daneben liegenden Shop begann. Und da wir pünktlich waren, die anderen aber nicht, konnten wir hier noch etwas warten und uns umsehen.
Der Schrank mit den teuren Geschenken durfte man eigentlich nicht fotografieren. Aber hier konnte man beispielsweise eine unterschriebene Homeplate aus einem Spiel für knapp 1000 US$ kaufen. Schon verrückt.
Dann ging es durch eine Sicherheitskontrolle in das Stadion selber. Da Meike hier noch einmal auf Toilette gehen musste, warteten wir mit unserm Guide. Und währenddessen tauchten noch 20 weitere Teilnehmer auf, was uns etwas ärgerte, denn wir hatten eigentlich gehofft, dass wir quasi eine private Tour bekommen. Naja, egal.
Das Stadion, die Boston Red Sox und eigentlich alles hier ist ein untrennbarer Teil der Stadt Boston. Und das wird einem auch andauernd gesagt. Fast so oft, wie man hört, dass Fans der New York Yankees, der größte Rivale, jetzt bitte wieder gehen mögen …
Das Stadion wird auf den Saisonstart Anfang April vorbereitet und wir hatten noch Glück, denn vor ein paar Tagen wurden die ersten Grasstücke (echtes Gras aus Kentucky, wie wir zu hören bekamen) eingesetzt. Also sah das Infield ein wenig wie ein Baseballstadion aus.
Das Stadion erinnerte uns ein wenig an den Providence Park in Portland, Oregon mit dem alten Tribünen, den grünen Pfosten und … den engen Sitzen.
Das wurde dann auch gleich Thema, denn diese ganzen, alten Elemente im Stadion sind eben auch die Sachen, auf die hier stolz gezeigt wird. Man hat sich hier halt entschieden nicht wie andere Teams am Rande der Stadt einen Neubau hoch zu ziehen, sondern das Alte zu bewahren.
Das gilt auch für die Umkleideräume, die ebenfalls sehr alt sind. Und klein. Und wenig Platz haben, was für einen Baseball-Profi mit einem 500 Millionen Dollar Vertrag (ja, sowas gibt es!) ungewohnt sein dürfte. Wobei unser Guide meinte: „Macht euch nicht zu viel Sorgen um die armen Spieler, die schlafen im 5 Sterne Hotel in der Stadt und sind nur für ein paar Minuten hier drin – denen geht es nicht sooo schlecht!“.
Die Warnung hier sollte man wohl ernst nehmen.
Wie gesagt: Die alten Sitze sind hier noch Teil der Tradition. Sie sind aber, davon konnten wir uns überzeugen, echt nicht besonders bequem.
Eines der bekanntesten Elemente des Stadions ist die Mauer hinter dem linken Outfield, genannt „The Green Monster„, was die Menschen in Boston „The Green Monst-A“ aussprechen. Die heute 11,3 Meter hohe und 73,2 Meter lange Mauer war bereits 1912 Teil des Stadions, war damals nur knappe 7 Meter hoch. Höher wurde sie erst, als man merkte, dass die Bewohner der Häuser hinter der Mauer aus ihren Wohnungen die Spiele kostenlos anschauen konnten. Also wurde sie höher gebaut und erhielt 1947 auch ihre grüne Farbe, die ihr ihren Namen gab. In der Mauer ist eine manuelle Anzeigetafel untergebracht, die bis heute benutzt wird und aus dem Inneren heraus bedient wird.
Und Teil der Tour ist es, dass man zu den Sitzplätzen auf dieser Wand gehen kann.
Diese Plätze werden allgemein als die besten Sitzplätze im Profi-Baseball bezeichnet. Sie sind sogar so begehrt, dass hierfür keine Dauerkarten vergeben werden, man kann Karten für jedes einzelne Spiel kaufen und sie sind, da auch hier „dynamic pricing“ eingeführt wurde, zwischen 250 Doller (bei einem Spiel unter der Woche gegen schlechte Teams am Anfang der Saison) bis zu 1500 Dollar (Playoff) reichen. Und die Wiederverkaufsplattformen sind nochmal um einen nicht kleinen Faktor teurer.
Das mit dem „Keine Dauerkarten“ wurde übrigens nach der ersten Saison wo es die Plätze gab eingeführt. An Anfang dachten die Red Sox nämlich, dass hier niemand sitzen möchte und verkaufte Dauerkarten für 95 Dollar pro Platz. Die Tickets waren nach 37 Minuten ausverkauft. Und es gab nie wieder Dauerkarten für die Sitze auf dem grünen Monster.
Neben den Baseballspielen gibt es hier auch Konzerte, Football- oder auch Eishockeyspiele
Dropkick Murphys im Fenway Park … das hat was!
Ein interessantes Nebenprojekt, was auch zeigt wie verbunden man hier mit der Community ist, sind die Urban Garden im Stadion, wo Gemüse von sozial schwachen Menschen aus dem Stadtteil angebaut werden kann, was dann in den Catering-Küchen des Stadions verwendet wird. Quasi eine Job-Beschaffung und ein Vorteil für die Köche, die die Lounges im Stadion versorgen.
Weiter ging es zur Pressebox. Wo wir uns in die erste Reihe setzten durften, wo die „alte Garde“ der Presse sitzt. Die eine sehr, sehr wichtige Entscheidung bei jedem Spiel treffen muss: Macht man die Fenster auf oder lässt man sie zu?
Von hier aus hat man natürlich einen schönen Blick auf das Stadion, inklusive der Wand.
Und von hier aus kann man einen Blick auf eine weitere Geschichte des Stadions erhaschen: Der „rote Sitz“.
Der Red Seat ist ein Sitzplatz im Sitzblock hinter dem rechten Outfield (Abschnitt 42, Reihe 37, Platz 21). Er markiert den Punkt, an dem der längste jemals im Fenway Park geschlagene Home Run landete. Dieser wurde am 9. Juni 1946 von Ted Williams 153 Meter weit in die Zuschauerränge geschlagen.
Der Geschichte nach saß dort ein Zuschauer bei einem sogenannten „Double Header“, also zwei Spielen an einem Tag. Zwischen dem ersten und dem zweiten Spiel schlief der Herr ein und wurde, sehr unsanft, von besagtem Ted Williams beziehungsweise seinem Baseball geweckt. In einem Interview hat er wohl gesagt, dass er beim nächsten Besuch eine Reihe weiter nach hinten gehen würde, weil er so sicher sei, nicht mehr von einem Baseball getroffen zu werden.
Wissenschaftler vom MIT haben übrigens herausgefunden, dass dieser Rekord sowieso nicht mehr gebrochen werden kann, da die Windverhältnisse, die damals so einen Schlag ermöglicht haben, durch Baumaßnahmen nie wieder entstehen können.
Vom „Sam Deck“, dem einzigen Ort im Stadion, wo man anständiges Bier bekommt (sonst gibt es nur Bud und Miller, wir haben gefragt!) gibt es nochmal einen besseren Blick auf den roten Sitz.
Damit endete die kurzweilige Führung, die durch diverse Anekdoten sehr unterhaltsam war. Daher hier noch ein paar, an die wir uns erinnert haben: Der Pesky Pole im rechten Outfield ist nach Johnny Pesky benannt. Er steht in einer Entfernung von 302 Fuß (circa 92 m) zur Homeplate. Der Pitcher Mel Parnell soll sich diesen Namen ausgedacht haben nach einem eher versehentlichen Schlag Peskys in den Bereich des Poles zum Spielgewinn. Johnny Pesky schlug nur 17 Home Runs in seiner 10-jährigen Karriere, davon aber sechs im Fenway Park.
Der Zuschauerrekord im Fenway Park mit offiziellen 47.627 Besuchern wurde am 22. September 1935 aufgestellt, beim Spiel gegen die New York Yankees, wobei sich nach Schätzungen inklusive Freikartenbesitzern und Gästen tatsächlich rund 49.000 Besucher im Stadion befanden. Von den im Stadion befindlichen Besuchern fanden rund 5.000 nur auf dem Spielfeld selbst einen Platz und weitere etwa 10.000 Personen wurden gar nicht eingelassen.
Und zuletzt hält der Fenway Park die längste Serie ausverkaufter Major-League-Baseball-Spiele in ununterbrochener Folge. Diese begann am 15. Mai 2003 und endete am 10. April 2013 nach knapp zehn Jahren und 820 ausverkauften Spielen, davon 794 reguläre Saison- und 26 Play-off-Spiele.
Ende der Tour ist in einem kleinen Museum, wo beispielsweise die legendären Spieler geehrt werden, deren Trikotnummern nicht mehr vergeben werden. Eine Besonderheit ist die Trikotnummer 42 von Jackie Robinson, der für Brooklyn gespielt hat und nie für Boston.
Jackie Robinson hat im Trikot der Brooklyn Dodgers Sportgeschichte geschrieben, als er am 15. April 1947 als erster schwarzer Spieler seit 1884 in einem Team der Major Leagues auflief. Zuvor war er in den Negro Leagues aktiv. Robinson ist damit zu einer Symbolfigur für die Rassenintegration des amerikanischen Profisports und der amerikanischen Gesellschaft geworden.
1962 wurde er in die Baseball Hall of Fame aufgenommen und seine Rückennummer 42 wird in der gesamten Major League seit 1997 an keinen anderen Spieler mehr vergeben. Robinson ist der einzige Spieler, der somit in allen Teams auf diese Weise geehrt wird. Seit 2004 feiert die MLB jährlich am 15. April den Jackie Robinson Day, an dem alle Spieler der gesamten Major League zu diesem Anlass die Rückennummer 42 tragen dürfen. Nach unserem Guide ein wichtiges und sehr positives Zeichen, nur für die Kommentatoren ist das wohl eher schwierig zu verkraften. „Im rechten Aussenfeld die Nummer 42. Im linken Aussenfeld die Nummer 42. Im Center unsere Nummer 42. …“
Auch sehenswert: Baseballs mit den Unterschriften aller Spieler der jeweiligen Gewinner der World Series.
Und durch einen Hinterausgang ging es dann hinaus.
Sehr zu empfehlen, wenn man Sport und Sportgeschichte mag. Oder einfach nur ein altes Gebäude mit sehr vielen Geschichten sehen möchte.