Nachdem wir uns vormittags auf dem Holmenkollen herumgetrieben haben, stand die Frage im Raum: Was nun? Das Abendessen war um 18:30 Uhr geplant und bis dahin wollten wir noch ins Hotelzimmer, duschen und was schickes anziehen. Aber dafür war noch genug Zeit, also schauten wir auf dem Rückweg vom Mittagessen in die Stadt bei den in der Oslo Card inkludierten Dingen nach, was uns interessiert und was in den Plan passt. Und dabei ist und die Halbinsel Bygdøy immer wieder aufgekommen und dorthin machten wir uns dann mit einem der schönen Busse Oslos.
Diese Halbinsel am Oslofjord ist für ihre Museen, Waldwege und Strände bekannt. Gerade im Süd-Osten befinden sich einige wie zum Beispiel das Norsk Folkemuseum, ein kulturhistorisches Freilichtmuseum mit über 100 mittelalterlichen Gebäuden. Im Sommer (*sic*) ist Bygdøy mit der Osloer Innenstadt verbunden, bei uns blieb daher nur der Bus übrig. Dieser fährt, wenn er aus der Innenstadt kommt, einen kleinen Abstecher zum genannten Freilichtmuseum. Dies war allerdings nicht unser Ziel, denn dafür braucht es mehr Zeit und außerdem … nun, es war halt kein Sommer.
Stattdessen ging es in ein weiteres Museum gleich nebenan, was sich mit der Geschichte des norwegischen Forschungsreisenden, Archäologen, Anthropologen, Ethnologen und Umweltaktivisten Thor Heyerdahl und seiner Geschichte beschäftigt.
Weltweit bekannt wurde Heyerdahl durch seine Kon-Tiki-Expedition. Er bewies damit seine Theorie, dass es eine Verbindung zwischen den Indianern Südamerikas und der Besiedlung Polynesiens gab, da die Siedler aus Südamerika nur mit der Unterstützung der Strömung des Humboltstroms und mit den damals verfügbaren Mitteln die lange Reise schaffen konnten.
Zuerst bekam er für seine Theorie nur die im Titel genannte Antwort und im Stile eines Abenteuers dachte er sich dann, dass der beste Beweis wohl wäre, wenn er es einfach machen würde.
Für die Expedition gingen Heyerdahl und sein Team nach Peru, um dort Baumstämme aus Balsa-Holz zu bekommen. Nur mit Material, über das auch die Ureinwohner verfügten, wollten sie ein Floß bauen. Die moderne Ausrüstung beschränkte sich auf die Funkanlage, ein Schlauchboot, Überlebensausrüstung sowie Navigationsmittel und eine Filmkamera zur Dokumentation. Das Experiment sollte auch Informationen zum Überleben auf See geben. Neben frischer Nahrung wie etwa Kokosnüssen wurden Konserven und ein Planktonnetz mitgenommen. Die Überfahrt erwies jedoch, dass die Teilnehmer allein vom Fischfang überlebt hätten.
Das Museum zeigte diese Reise sowie das original erhaltene Schiff gleich am Anfang, denn sie war es, mit der Heyerdahl berühmt wurde.
Heyerdahl wies durch diese Reise nach, dass ein Floß aus frisch geschlagenem Balsaholz etwa zwei Jahre schwimmfähig sei. Es war mittels Segelstellung und Guaras (Steckschwertern) leidlich zu steuern. Sogar Aufkreuzen wäre, wenngleich mit sehr bescheidenem Erfolg, möglich gewesen. Der Verzicht auf moderne Hilfsmittel rettete letztlich die Expedition. Man hatte Heyerdahl dringend empfohlen, die Balsastämme sicherheitshalber mit Eisenketten und nicht mit (präkolumbischen) Stricken zu verbinden. Auf hoher See zeigte sich aber, dass die Stricke mit dem Holz arbeiteten; Ketten hätten durch die Eigenbewegungen des Floßes die Balsastämme zersägt.
Modernere genomische Vergleiche stützen Heyerdahls Hypothese, denn sie zeigen auf DNA-Ebene Übereinstimmungen der polynesischen Bevölkerung mit der Südamerikas.
Für die Reise stellte Heyerdahl eine Mannschaft zusammen, wobei er bewusst auf erfahrene Seeleute verzichtete, denn niemand soll ihm später vorwerfen können, dass seine Männer besser segeln und navigieren können als die frühen indianischen Segler. Außerdem, so meint er, verstünden Seeleute auch nicht mehr von der Floßschifferei als unerfahrene Forscher. Stattdessen lädt er norwegische Freunde ein: neben Watzinger den Kunstmaler Erik Hesselberg sowie die ausgebildeten Funker Knut Haugland und Torstein Raaby, die auf See Wetterberichte an meteorologische Stationen in Lima funken und im Notfall SOS senden sollen. Später stößt noch der schwedische Ethnologe Bengt Danielsson hinzu.
Die Reise dauerte 101 Tage, dabei wurden 6.980 Kilometer zurückgelegt. Die Besatzung arbeitete dabei in Schichten, deren Reihenfolge auf diesem selbst geschnitzten Ding festgelegt wurde. Auch sonst gab es im Museum einige persönliche und ein paar skurrile Geschichten zu der Fahrt und den Teilnehmern.
Durch diese Fahrt wurde Heyerdahl wie gesagt berühmt und nutzte seinen Ruhm für diverse andere Dinge, so zum Beispiel für die Meeresbiologie und den Artenschutz.
Auch gab es einen Dokumentarfilm über die Expedition, der mit einem Oscar ausgezeichnet wurde.
Weitere Auszeichnungen für den Forscher, der trotzdem auch ein kritisch gesehener Charakter und nicht unumstritten war.
Weitere Reisen führten Heyerdahl immer wieder nach Südamerika, so war er auch Teil der ersten Expedition auf der Osterinsel.
1969 versuchte Heyerdahl dann mit dem nach dem Vorbild ägyptischer Reliefs und Wandmalereien und als Grabbeigabe gefundener Tonmodelle entworfenen Papyrusboot Ra von Safi in Marokko aus im Äquatorialstrom und im Nordostpassat Amerika zu erreichen.
Er ließ das Boot zwar von versierten afrikanischen Schilfbootbauern aus dem Volk der Buduma vom Tschadsee bauen, nahm dabei aber vielerlei Probleme in Kauf: Am Tschadsee waren Boote weitaus kleiner, wurden bloß für Tagesfahrten genutzt und dann ins Trockene gebracht. Nachträglich als wichtig angesehene Elemente der ägyptischen Vorlagen wurde von den Buduma nur als „dient zur Zierde“ gehalten und, wenn überhaupt, widerwillig angebaut. Weitere Konstruktionsmängel, etwa das unterdimensionierte Doppelruder, die Steuerung, die während der Überfahrt mehrfach brach, ungeeignete Verzurrung des Schilfs und das zusehends absinkende und damit bremsende Heck führten letztlich zum Abbruch der Reise.
960 Kilometer vor dem Ziel Barbados war das Fahrzeug – im Gegensatz zu den in Fachkreisen vorhergesagten „Das Ding hält nur 2 Wochen!“ – noch immer schwimmfähig und hatte hinreichend Proviant in Reserve, war aber wegen der Konstruktionsmängel dabei, sich aufzulösen.
Die Besatzung dieser Reise war übrigens bewusst multikulturell gehalten. Uns gefiel Bordmitglied Nummer 10 ab besten: Sinbad, die Ente aus Marokko!
Nach den Erfahrungen aus dem ersten Experiment ließ Heyerdahl die etwas kleinere Ra II von Anden-Indianern vom Titicaca-See bauen, weil er inzwischen zur Überzeugung gekommen war, dass deren Schiffbautechnik der ägyptischen näher sei als die aus dem Inneren Afrikas.
Ra II stach am 17. Mai 1970, wieder von Safi aus, in See und erreichte Barbados am 12. Juli. Während der Expeditionen dokumentierte die Mannschaft im Auftrag der UNO durch regelmäßige Sammlung von Proben die Meeresverschmutzung, auf die Heyerdahl bereits nach der Reise der Ra aufmerksam gemacht hatte. Dies hatte eine der ersten Umwelt-Resolution der UNO zur Folge.
Thor Heyerdahl starb am 18. April 2002 in Italien, hatte aber zur Folge, dass sich eine ganze Generation für die Seefahrt, die Geschichte und auch die Umweltverschmutzung der Weltmeere interessierte.
Eine echt spannende Geschichte und ein wirklich sehenswertes Museum, wo man auch durchaus noch längere Zeit hätte verbringen können. Für uns hieß es dann aber: Zurück zum Bus. Wo an der Haltestelle zuerst eine ungewöhnlich große Menge an Menschen befand, von denen aber fast alle in den HopOn-HopOff-Bus begaben.
Leider bliebt auch eine deutsche Gruppe von zwei Pärchen übrig, die mit dem Schild „Wenn sie in die Innenstadt fahren wollen, müssen sie zwei Haltestellen fahren und dann umsteigen“ nix anzufangen wussten. Also alle bis auf die Frauen, die ihren Männern Gebetsmühlen-artig sagten, was sie zu tun hätten. Die sogenannte Krone der Schöpfung fand das aber blöd, meckerte lieber und wollte im Bus sitzen bleiben.
Na gut, da wir halt lesen können, stiegen wir aus und warteten auf den Bus in die Innenstadt. Der Bus fährt eben nur stadtauswärts in einer kleinen Schleife über die Museen, solange diese auf haben.
Für uns kam dann auch bald der warme Bus und es ging ab zurück ins Hotel.
Ein cooles Museum, doch auf dem Rückweg freuten wir uns schon auf das Abendessen.