Der erste Tag Bornholm also. Durch das Auto hatten wir uns im Vorfeld nur grob eine Idee überlegt und die besagte: Wir schauen spontan, was wir so tun. Soweit, so ungenau.
In der Realität hat sich Meike die Bornholm App runtergeladen und ist die Sightseeing-Punkte durchgegangen und hat die markiert, die interessant erschienen. Und die wollten wir gegen den Uhrzeigersinn abfahren, so lange wir Lust und Sprit haben. Bedeutete dann: Der heutige Blog ist eine Aneinanderreihung von verschiedensten Punkten, die wir abgefahren sind.
Zusammengefasst: Runde Kirche, kalter Krieg, Sandskulpturen, Mittagessen, Craftbeer, Hafenort, Abendessen, Steine und Relaxen auf dem Balkon im Hotel.
Nachdem wir das Frühstück im sehr, sehr großen und an ein Kurort erinnernden Speisesaal eingenommen hatten, setzen wir uns ins Auto und fuhren einfach mal los ohne Ziel. Ist ab und an auch ganz schön, so für unsere Verhältnisse ungeplant zu sein.
Nachdem wir den Ort verlassen haben, führte Meike uns zum ersten Programmpunkt: Einer Kirche. Genauer gesagt einer Rundkirche.
Eine Rundkirche ist, wie der Name halt schon sagt, eine Kirche mit einem kreisförmigen Grundriß. Ganz im Gegensatz zu den bekannten kreuzförmigen Kirchen sind diese oft recht alt. Die älteste bekannte Version einer Rundkirche sind neolithische Tempel beispielsweise in Göbekli Tepe in der heutigen Türkei. Der Stil verschwand immer mal wieder um dann auf einmal wieder irgendwo gebaut zu werden.
In Skandinavien gibt es auch solche Rundkirchen, die tatsächlich auch so gebaut wurden, um gut verteidigt zu werden. Sie dienten neben der religiösen Funktion auch als Lager oder auch als Schutzraum für die Gemeinde bei Angriffen.
In ganz Dänemark gibt es nur wenige dieser Rundkirchen und vier davon sind auf Bornholm. Anscheinend wurde man hier viel überfallen …
Gleich in der Nähe von Rönne liegt auf jeden Fall die Kirche von Nylars (dänisch „Nylars Kirke“ genannt). Sie wurde um 1165 erbaut und 1335 nach dem heiligen Nikolaus benannt. Was dann auch gleich zum Namen der Gemeinde verwendet wurde, denn der alte dänische Name von Nikolaus war Nilaus, woraus dann Nylars entstand.
Beim Hineingehen erst einmal eine Überraschung: Runensteine. Wie schon Rollo der Wikinger bei Torfrock sagte: „Ich gehe lieber zu meinem Runenstein und schnack n bisschen mit Odin“. Hier waren auf jeden Fall zwei Exemplare am Eingang ausgestellt.
An der Wand die lange Liste der hier tätigen Priester seit der Reformation.
Und innen dann der typisch für die Rundkirchen schön verzierte Mittelpfeiler mit Fresken aus dem 13. Jahrhundert.
Schon schön und mal was anderes. Genau so wie das Waffenhaus nebenan, in dem früher die Gläubigen ihre Waffen deponieren konnten, während sie im Gottesdienst waren.
Weiter ging es an der Südküste entlang bis zu einem Ort mit sehr, sehr vielen Aufklebern.
OK, dies war nicht der Grund für unseren Halt. Genauso wenig wie der eher verwahrloste Minigolfplatz daneben. Nein, unser Ziel war dieser Turm, den wir aber, soviel schonmal vorneweg, wegen des schwülen und diesigen Wetters nicht erklommen sind.
Der Turm nennt sich sinnvollerweise „Bornholmertårnet“, also der Turm von Bornholm. Der 70 Meter hohe Turm war gerade im kalten Krieg eine sehr spannende Gegend, denn von hier aus wurden von Geheimdiensten der NATO die Aktivitäten des Warschauer Paktes abgehört.
Und dazu gibt es ein Museum, welches sich vollmundig als „Erlebniszentrum“ bezeichnet. Beginnend mit dem 2. Weltkrieg wird hier die Geschichte der Abhöranlage speziell und die Rolle von Bornholm im Allgemeinen beschrieben.
Plus ein paar Dinge, an die man nicht oft genug erinnern kann!
Bornholm hatte gerade in den letzten Kriegsjahren sehr zu leiden, denn die Aktivität der Bornholmer Widerstandsbewegung bei der Fluchthilfe von Juden brachte sehr starke Repressalien durch die deutschen Besatzer mit sich.
Und auch das Kriegsende war traurig, denn der deutsche Wehrmachtskommandant von Bornholm weigert sich, sich den sowjetischen Streitkräften zu ergeben, da seine Befehle sagten, dass er sich nur den Westmächten ergeben darf. Also wurde Bornholm noch nach der Kapitulation der deutschen Truppen am 4. Mai 1945 am 7. Mai angegriffen und die Städte Rönne und Nexö teilweise zerstört. Am Folgetag kapitulierte Deutschland dann komplett. Die durch diese völlig sinnfreie Zerstörung angerichteten Schäden wurden erst Jahre später beseitigt.
Danach wurde im Museum die Zeit erzählt in der Bornholm gerade für westliche Geheimdienste wegen der Nähe zu Polen und dem Warschauer Pakt generell von großer Bedeutung war. Im Süden von Bornholm wurde deswegen eine streng geheimes und weitreichend abgeschirmtes Abhörstation erbaut und bis in die Neuzeit auch noch aktiv betrieben. Seit 2015 gibt es hier ein Museum.
Neben der eher bekannten Geschichte des kalten Krieges gab es im Museum ein paar spannende Exponate. Beispielsweise diese polnische MIG-15, die 1953 ein polnischer Pilot zu seiner Flucht nutzte. Während eines Routinefluges setze er sich über der Nordsee von seiner Rotte ab, landete kurz danach auf Bornholm und bescherte den Westmächten so die erste funktionsfähige MIG. Allerdings war der Pilot einer kleinen Fehlinformation erlegen, denn er dachte, dass es auf Bornholm eine US AIrBase gäbe. Gab es nicht, sondern nur den Flughafen Bornholm, welcher damals nur eine Graspiste hatte. Nachdem er vergeblich eine Militärbasis gesucht hatte, setzte der Pilot auf. Die Landung gelang, der Pilot kam in die USA und die MIG wurde 2 Tage lang untersucht und dann, in Kisten verpackt, nach Polen zurückgeschickt.
Diese Kisten wurden nach dem Fall des eisernen Vorhangs entdeckt, vom Museum aufgekauft und so steht jetzt die Original MIG wieder da, wo sie damals gelandet war.
Spannend war die Ausstellung schon, gerade welche Dinge von hier aus beobachtet wurden. Beispielsweise konnte man vom Turm hochauflösende Fotos von sowjetischen Prototypen machen und so die Geheimdienste informieren, was „der Russe so macht“.
Leider war auch ein großer Teil, gerade was die Meinung der Bevölkerung Bornholms zum Abhörposten der NATO angeht, nur auf dänisch zu lesen. Vermutlich gab es mindestens mal geteilte Meinungen dazu.
Ein weiteres skurriles Artefakt: Eine sowjetische Sonarboje, die am Strand von einem Fischer gefunden wurde. Da er damit nix anfangen konnte, fuhr er mit seinem Auto zum (eigentlich ja geheimen) Abhörstützpunkt und fragte am Tor „ob sie was damit anfangen können oder es sogar haben wollen“.
Auch skurril: Die noch ohne ein Übersetzungsprogramm (oder einem sehr schlechten) gemachten Übersetzungen auf Deutsch.
Aber immerhin wurden die MIGs schön an den Eigentümer zurückgeschickt. Porto zahlt Empfänger …
Den Abschluss bildeten die ehemaligen Serverräume, wo die Daten der Abhöreinrichtung gespeichert wurden und die als die sichersten in Skandinavien galten. Gebaut übrigens von Simens.
Kurz vor dem Ausgang dann noch etwas, was uns sehr beeindruckt hat: Fotomontagen, welche die Besatzungszeit der deutschen und sowjetischen Streitkräfte in einen modernen Kontext stellten.
Sind wir mal froh, dass wir aktuell in einer relativ angenehmen Zeit leben. Noch.
Nächster Programmpunkt auf Meikes „Liste der verschiedensten Dinge“ hatte was mit Sand zu tun. Glücklicherweise aber nichts mit einem Strand, denn es fing langsam an zu regnen.
Nein, es war der Nexö Sandskulptuten-Park.
Und das war beeindruckend, was die Künster aus der ganzen Welt unter dem diesjährigen Thema „Märchen und Schauergeschichten“ mit Sand, Wasser und Druck hergestellt haben.
Die Details waren wirklich krass und an den Spuren am Boden bzw. vom Vogeldreck auf den Skulpuren konnte man schließen, dass das alles sehr stabil war.
Sogar für ein Selfie war Zeit, auch wenn der gestiefelte Kater im Grunde genommen keine Wahl hatte und sein Gesicht das auch zeigt.
Ein kleines Außengelände gab es auch, aufgrund des Regens haben wir uns da aber weniger lang aufgehalten. Aber auch hier: Krasse Skulpuren.
Sogar ein kleiner „So wird das gemacht“-Beispiel stand hier. Ob es gedacht war, dass am Schluss sich ein kleines Mädchen mit einer Schaufel daran gemacht hat aus dem zweiten Sandhaufen auch so einen Bärenkopf zu formen … wir glauben eher nicht.
Weiter ging es durch den Regen an der Ostküste entlang nach Aarsdale. Wo wir erst einmal diese wunderschöne Bushaltestelle inklusive Toilette bewunderten. Wie lange so etwas in Deutschland stehen bleiben würde?
Aarsdale ist ein kleiner Ort mit 316 Einwohnern und es gibt ihn schon seit 1410. Zeitweise gab es hier über 30 Fischkutter, was die Bedeutung der Fischerei für die Insel zeigt. Heute sind es nur noch 7. Dafür gibt es noch was, was man mit dem Fisch hier anfangen kann: Eine Fischräucherei! Und da wollten wir hin!
Der Fisch war schon einmal beeindruckend. Was uns aber noch mehr beeindruckt hat, war die Auswahl an Weinen! Diese 4 Schränke waren nämlich knapp die Hälfte aller Weinflaschen, die man in dem kleinen Gastraum kaufen konnte.
Neben Wein gab es auch Bier vom Faß und deswegen fuhr ab jetzt dankensweiterweise Meike wieder. Da wir etwas auf einen Tisch warten mussten und uns ohnehin nicht entscheiden konnten, haben wir einfach eine Makrele und einen Hering gekauft, welche dann mit dem üblichen dänischen Schwarzbrot, etwas Zwiebel und Radieschen sowie einem rohen Ei (?) serviert wurden.
Warum das Ei? Keine Ahnung. Gehört sich aber für das Gericht „Sol over Gudhjem“ wie man das nennt. Lecker war es aber allemal und Jens gönnte sich noch ein Stück Lachs als Nachtisch.
Draußen stand, als es aufgehört hat zu regnen, noch eine Anleitung wie zu bestellen ist: Getränke aussuchen, Bier bestellen, Essen bestellen, bezahlen, Essen mitnehmen. Und noch was sechstes, was wir nicht übersetzen können.
Apropos Bier: Gleich nebenan war da noch was, was unsere Aufmerksamkeit fand. Eine Mikkeller-Bar!
Mikkeller, ein dänische Craftbeer-Gypse Brauer, hat auf der ganzen Welt kleine Bars, so waren wir ja schon in einer Mikkeller Bar in Berlin, Tokyo, Singapur, Berlin, Stockholm, … und jetzt auch in Aarsdale.
Meike fand ein paar alkoholfreie Biere und Jens zwei leckere IPAs und ein dunkles Nachtisch-Stout. Und damit setzten wir uns einfach in einen der drei Räume und genossen.
Keine Ahnung, wie sich so ein Laden hier in diesem Dorf hält, aber anscheinend geht es.
Da wir aber noch was zu tun hatten und außerdem nicht schon am Nachmittag in einer Kneipe versacken wollten (also Jens, Meike hatte sich ja dankenswerterweise bereit erklärt zu fahren) ging es zurück zum Auto und weiter die Küste entlang.
Nächster Halt Svaneke. Wie in „Brauerei Svaneke“ die wir ja von gestern noch kannten.
Svaneke ist aber auch eine Kleinstadt im nord-östlichen Teil von Bornholm und hat knapp über 1000 Einwohner. Eines der Wahrzeichen ist der Schwan, die Überreste eines Schiffes mit dem Namen „Swan“.
Inzwischen hatten wir uns überlegt, dass wir hier unsere Inselrundfahrt beenden wollten und nach Svaneke auf direktem Wege zurück zum Hotel fahren wollten. Vorher wollten wir hier noch was zu Abend essen, da es dafür aber noch etwas zu früh war, schlenderten wir durch den Hafen.
Und wurden Opfer dieses Touristen-Shops, der zufälligerweise auch eigene Bonbons produziert.
Aber im Ernst: Butterkaramell mit Erdbeeren? Wer kann da „Nein“ sagen?
Ein kleiner, feiner Ort durch den wir dann kreuz und quer schlenderten. Mit einem kleinen Umweg über eine öffentliche Toilette, wobei die so dreckig war, dass dieses Gebüsch wohl die angenehmere Option gewesen wäre …
Unser Ziel: Das Brauhaus Svaneke, natürlich.
Warum in der Ferne schweifen, wenn das Bier so nah ist. Zumindest für Jens, aber Meike hatte eh nicht so viel Lust. Außerdem haben wir vielleicht bei Mikkeller ein paar Dosen für später eingekauft …
Anfangs noch sehr leer füllte sich der große Raum ziemlich schnell – das Geschäft scheint also gut zu gehen. Für uns wurde kurzerhand ein Tisch auseinandergerückt, sodass wir nicht verloren an einem langen Tisch sitzen mussten.
Das Essen kam zügig, genau wie das Bier-Tasting für Jens. Wobei die Qualität gut, aber eher der eines Gastro-Pubs entspricht und auch recht hochpreisig war.
Aber gerade beim Hauptgang von Jens war dafür auch eine gute Menge an Rinderbraten auf dem Teller.
Die Schnäppse haben wir dann links liegen gelassen und lieber noch zwei weitere Biere für später gekauft.
Svaneke scheint ein schöner Ort zu sein, aber eine große Auswahl an Restaurants scheint es hier nicht zu geben. Touristen waren in rauen Mengen da, etwas muss dieser Ort also haben.
Dann auf direktem Wege zurück nach Rönne, bis Meike auf einmal meinte „Guck doch mal ob wir nicht an Louisenlund vorbeikommen, das müsste auf dem Weg liegen …“. Kamen wir und so hielten wir an etwas an, was eher wie die Einfahrt zu einem Hof aussah.
Und da waren sie: Steine!
Ja genau: Meike wollte Steine sehen! Jens war darüber zwar nachhaltig irritiert, aber Meike fand das spannend.
An diesem Ort findet man, so eine Infotafel, die zweitgrößte Sammlung von Bautasteinen, knapp 50. Ursprünglich gab es mehr, das weiß man. Was man nicht weiß ist: Warum gibt es sie? Was soll das? Wozu?
Mit diesen Fragen im Kopf von Jens ging es dann quer durch Bornholm zurück nach Rönne.
Fazit des Tages: Eine vielseitige Insel, wobei man natürlich keine Weltwunder oder riesige Dinge erwarten darf. Aber ein gewisses Etwas kann man Bornholm nicht absprechen. Ein weiterer Vorteil ist, dass hier alles sehr leicht mit dem Auto zu erreichen ist. Mit etwas Planung kann man hier sicherlich auch mit dem Rad viel machen, dafür bräuchte man aber mehr Tage.
Wir waren ganz froh mit unserem Programm heute und begaben uns auf den Balkon, um in der untergehenden Sonne (Yeah – Dunkelheit!) unser Süßigkeiten-Vorräte sowie die eingekauften Biere zu vernichten und dabei was zu spielen.
Memo an Zukunfts-Jens: Das schmeckt nicht!
Memo an Zukunfts-Jens, Teil 2: Das Bier schmeckt, aber trink es nicht so schnell!
Aber so ging ein langer Tag mit sehr viel Input zu Ende.
Morgen dann Teil 2 der Rundfahrt um Bornholm.