Vorneweg: Wir hatten uns mit dem KOKS und der Küche schon vorab etwas beschäftigt und wussten daher schon grob, dass hier weniger „Rinderfilet“ oder „Hühnerbrust“ serviert wird, sondern kreativ und nordisch die lokale Tierwelt verarbeitet werden würde, was gegebenenfalls nicht für jedermann etwas ist.
Also offen sollte man schon sein, wenn man hierhin geht, denn es ist bei weitem kein normales Gourmet-Essen, was man hier bekommt. Wir würden sogar so weit gehen, dass wir uns nicht vorstellen können, dass es irgendwo so ein Essen geben kann, denn die Kombination mit der Anreise, den Lodges und einfach dem ganzen Ablauf um das Essen herum gehören untrennbar zueinander. Und das funktioniert woanders einfach nicht.
Jetzt folgte dann aber das Essen und dies wird uns noch lange in Erinnerung bleiben.
Es war ja Meikes Geburtstag heute. Dies wurde immer wieder dezent erwähnt aber ansonsten kein großes Aufheben darum gemacht. Das war für uns schon einmal super angenehm, denn wir waren ja zu Essen hier und nicht um Lobhudeleien einzustecken. Plus: Diese hatte Jens natürlich schon den ganzen Tag erledigt … 😉
Am, wie wir fanden, besten Platz des Restaurants wurden wir dann, nachdem wir Jacke und Schuhe abgelegt haben, platziert.
Schuhe? Ja genau: Hier zieht man die Schuhe aus, wenn man ins Haus kommt. Und damit die Füße auch warm bleiben, bekommt man fesche Slipper aus Seehundfell.
Super warm, super bequem und einfach passend. Auch passend: Der Champagner zur Begrüßung.
So war gut! Sehr, sehr gut sogar!
Das Restaurant sieht etwas spartanisch aus, wirkt aber trotzdem warm, heimelig und die Gäste werden so auf die 3 Räume verteilt, dass man überall seine Ruhe hat. Der super freundliche und aufmerksame Service stand immer bereit und unterstütze wo es ging. Und war auch für den einen oder anderen Scherz aufgelegt, was wir ja immer mögen.
Nach dem Essen wurde uns auch bestätigt, dass dies für den Service ein guter Abend gewesen sein muss, da es irgendwie alles „im Flow“ war. Und das hat man irgendwie auch schon anfangs gemerkt, denn alle strahlten ein inneres Lächeln aus, wenn sie durch den Raum gingen, es wurde sehr viel non-verbal kommuniziert und alle hatten einfach einen guten Abend.
Bei den Grüßen begann es stilecht: Mit Mattak! Glücklicherweise mit nur halb so dicker Fettschicht wie in Kangerlussuaq und mit Johannesbeerblatt-Öl mariniert. Der Wal war dieses Mal einer der wenigen gefangenen Narwale.
Speziell, etwas feste Haut und leichte Beerentöne – unser Lieblingsessen wird es nicht. Aber es gehört zu der Welt hier und die versucht der Chefkoch Poul Andrias Ziska, der seit 2014 im KOKS das Zepter oder den Chef-Kochlöffel in seiner Hand hält, konsequent auf einem Gourmet-Level abzubilden.
Um Wal gab es ein Kräuter-Bourquet mit Kräutern aus Nuuk was ein super Mund-Auffrischer war.
Nach diesem Gruß an die derzeitige Heimat des KOKS kam ein zweiter Gruß mit einer wunderschön angerichteten geschichteten Rosette aus Seeschnecke, Spinat, Verbene, Gurke und fermentierten Stachelbeere.
Sehr fein, sehr nordisch und die Seeschnecke überraschend fest.
Der nächste Teller dann auch was fürs Auge mit einem geräucherten, grönländischen Heilbutt in Zucker-Algen eingewickelt, Bergkräutern, Meerrettich und einer Buttermilch-Sauce.
Kleiner Happen, große Wirkung! Gerade die Kräuter machten den eher leicht geräucherten Heilbutt und den etwas festeren Algen im Geschmack rund. Die Buttermilch wurde als Träger für die Aromen genutzt, sehr wohlüberlegte Kombination, wo man versucht war, alles auf einen Happs aufzuessen.
Nächster Teller mit kurz gebeiztem Seesaibling, einem unserer Lieblingsfischen. Darunter ein Süßkartoffel-Gel mit starkem Ingwer und ein Karotten-Schaum sowie wieder sehr intensive Kräutern. Dieses Mal war es „arctic thyme“, also ein frühblühender Thymian, welcher auch wieder eine tolle Kräuternote zu den herzhaften und eher süße-fetten Komponenten bringt.
Danach ging es ab in die kreative nordische Küche mit einem kleinen Schälchen aus Rosenwurz in die ein mit Gelan aufgearbeiteter Klecks Walfett gelegt wurde auf die dann wiederum die fritierten Köpfe und Schwänze der Lodde, einem im arktischen Ozean heimischen Fisch, gelegt waren.
Sieht gewöhnungsbedürftig aus, war aber hervorragend und eine wunderbare Mischung aus krossem Fisch mit dem Schmelz des Fettes und wieder dem Kraut.
Generell merkte man hier schon, dass gerade auf die Kräuter hohen Wert gelegt wird und diese in den Kombinationen eine wirklich große Rolle spielen.
„Nose to tail“ nennt man ja die komplette Verwendung von Landtieren und dementsprechend wurde mit der Lodde oder dem Capelin (wie die englische Bezeichnung ist) eine Art „Kiemen zu Schwanzflosse“-Ansatz gefahren, denn die übrigen Stücke des Fisches wurden dann in einem Sud aus Algen und Berg-Sauerklee roh drapiert.
Spätestens hier waren wir etwas traurig, dass wir kein Brot bekamen, sondern mit dem Löffel und den Fingern die letzten Reste der Sauce aus den Tellern kratzen mussten. Die Kombination war sagenhaft gut.
Dann eine Art „Werbeblock“, denn das KOKS ist eines der weltweit wenigen „Leuchtturm“-Restaurants eines der weltberühmtesten Weingüter der Welt, dem Château d’Yquem. Was bedeutet, dass hier einer der besten Süßweine der Welt ausgeschenkt wird, aktuell der 2013 Jahrgang, und man als Bedingung hat, ihn nicht zum Nachtisch auszuschenken.
Unsere niederländische Bedienung bot uns an den Wein zusätzlich zur Weinbegleitung bzw. als Ersatz zum nächsten Gang zu genießen. Na, da konnten wir doch nicht „Nein“ sagen …
Die Dame hat uns übrigens schon dadurch überzeugt, dass sie konstant die ganze Weinbegleitung durch die Gläser immer so gedreht hat, dass das Logo des Herstellers zu uns zeigte. Die Flaschen immer so stellte, dass das Label zu uns deutete und auch sonst alles seine Ordnung hatte.
Sie kommt aus Texel, wobei wir aufgrund ein paar Sachen, die sie erzählt hatte, mit Scheveningen ja gar nicht mal so weit weg waren. Generell war der Service recht jung, schnell und super freundlich. Fast alle waren einem kleinen Schwatz nicht abgeneigt und so wurde man auch etwas abseits des kulinarischen Genusses unterhalten. Wenn man wollte, denn ein Gespräch wurde einem hier nicht aufgedrängt.
Grüße an dieser Stelle an den deutschen Keller aus Leipzig, wo wir ja weiterhin vermuten, dass er nur raus darf, wenn deutsche Gäste da sind. 😉
Fokus blieb aber auf dem Essen und da kam dann ein Hammer: Ein gegrillter Schrimpkopf mit gerade erst gefangenen, rohen Schrimps und eine Tartelette.
OK, wir werden nie wieder so gute, rohe Schrimps bekommen. Das war eine Götterspeise!
In den Kopf wurde eine Farce gefüllt, welche aus dem eigentlichen Kopf hergestellt wurde. Dazu wurde ein Rharbarbar-Essig hinzugefügt, welcher mit seiner Säure Farce, gegrillten Schrimp und den rohen Teil quasi verbindet , ohne die rohen Schrimps zu überlagern. Die hier eindeutig der Hit waren.
Wenn es mal irgendwann ein letztes Mal sein müsste, dieser Gang wäre dabei!
Nach dieser fast schon japanisch feinen Komposition, folgte etwas für die Seele: Gezupfte Schneekrabbe in einem Gelee aus fermentierten Pilzen, Petersilie und kleinen Wirsing oder Kohlblättern.
Dazu wurde ein kleines Weck-Glas auf den Tisch gestellt, was eine Art Wolle enthalten hat.
Unsere skeptischen Blicke wurden dann aufgenommen und es wurde erklärt, dass dies eine hier wachsende Seegras-Art ist, welche getrocknet nach Trüffel schmeckt.
Und was für ein Trüffelgeschmack das war! Unglaublich intensiv, gut dosierbar (am Anfang waren wir noch etwas zaghafter, am Ende hauten wir dann alles drauf, was auf den Löffel passte) und mit dem Umami des Pilzes und der Krabbe ein unglaublich wohlschmeckendes Gericht.
Nächster Gang, der 9. insgesamt: Suaasat – das grönländische Nationalgericht für das es eigentlich kein Rezept gibt.
Ob Fleisch oder Fisch rein muss – kann beides sein, muss aber nicht. Graupen? Reis? Kartoffel? Egal – man nimmt, was da ist.
In diesem Fall waren es gekochtes Walfleisch, festkochende Kartoffeln, Weizen, karamelisierte Zwiebeln und eine sämige, recht würzig-süße Sauce.
Ein echtes Wohlfühl-Gericht, gerade bei kälterem Wetter. Auf das man am Besten aus dem Haus heraus schaut.
Es folgte ein Gericht an dem sich sicherlich die Geister ob der Präsentation scheiden werden. Uns gefiel es: Es war auf einem präparierten Vogelflügel eines Schneehuhns mit einem Zahnstocher folgende 3 Dinge 3 Mal geschichtet: Lardo vom Rentier, Schwarzbeerenpüree, wobei die Beeren aus dem Verdauungstrakt des geschossenen Vogels stammen, und Austernpilze.
Halt sehr kreativ und echt cool präsentiert, fanden wir zumindest. Man kann aber verstehen, wenn es jemandem nicht gefällt – hier gehört es aber halt dazu. In einem Restaurant in einer westlichen Großstadt fänden wir dies aber auch deplatziert.
Genau wie die Schuhe aus Robbenfell, wäre schon komisch, wenn das in Berlin oder New York ein Restaurant machen würde. Hier waren aber inzwischen alle Gäste mit Schuhen versorgt und genossen den Abend.
Wie konnte man auch nicht …
Nächster Gang kam dann vom Koch, der mit uns auf dem Boot hier hingefahren ist. Wir vermuten mal, dass er das nicht nach der Ankunft erst dekoriert hat.
Da wir, wie eigentlich immer, mit allen und jedem einfach so quatschten und unseren Spaß hatte, bekamen wir hier und da auch etwas mehr Infos zum Essen. So erfuhren wir hier, dass es sich quasi um einen Raviolo aus Reis-Teig handelt, in den eine 24 Stunden eingekochte Rentier-Reduktion mit Pilzen eingefüllt wurde und die dann mit Preiselbeeren verziert wurden.
Was für eine Kunst!
Dieses Kunstwerk schuf dann den Übergang zum Fleisch-Teil des Menus. Ein weiterer Hinweis waren die handgefertigten Messer im traditionellen färingischen Stil. Welche wohl immer mal wieder von Gästen versucht werden zu klauen. Was hier, wo man eben nicht weg kommt, eher eine dümmere Idee ist.
Schlicht, einfach und doch so schwierig: Gegrillter Tordalk, ein südlich von Grönland heimischer Vogel, mit einem Sirup aus 2 Beeren, die gemeinsam mit dem Vogelfond reduziert wurden.
Der Vogel selber wurde in Shikoji über Nacht mariniert und dann mit einer BBQ Sauce mariniert sehr kurz und sehr heiß in einem Green Egg gegrillt.
Was für eine Qualität und was für eine Perfektion!
Der zweite Fleischgang war nicht weniger stark, denn es gab Schulterfleisch vom Moschusochsen (kein Tag ohne Muskox!) mit Sellerie, Puder vom Seegras und 3 Ölen: Einem Krabbenöl, einem Petersilienöl und einem Öl aus Süßalge.
Ach, war das lecker! Und jeder Gang hatte seine Eigenheiten, seine Bestimmung und seine Geschichte. Trotzdem passte es doch irgendwie alles zusammen und man wusste, dass dies alles aus ein und derselben Küche kommt.
In der Küche hatten derweil die Herren Patissière übernommen und zeigten … ein weißes Dings in einem weißen Teller?
Einmal reinstechen und schon wurde klar, dass hier viel, viel mehr auf dem Teller war. Es gab mit Schafswolle (genauer gesagt der etwas fetteren Unterwolle) getränkte Milchspeise mit Krähenbeeren und Rote Beete Sorbet.
Wir hatten unseren Spaß und glücklicherweise fotografiert Meike eher das Essen als Jens. Was Jens wiederum gut findet, denn das sich vor 3 Stunden eingestellte Dauergrinsen sah bestimmt nicht schön aus.
Letzter Gang: Süße Topinambur mit Reis, der durch Koji fermentiert wurde. Angelegt in einem Ring und einer Zuckerglasur und tatsächlich Treber, der beim Brauen des eigenen Bieres übrig geblieben ist.
Nichts verschwenden, wird immer wichtiger in unserer Zeit und wenn es so so einer Kreativität führt: Um so besser!
Das Zwischenfazit vor den 4 Nachspeisen war: Was für ein einmaliges Essen und Essenserlebnis. Beides ist gleichermaßen wichtig, denn das Essen lebt durch das vom Service und der Umgebung erzeugten Erlebnis-Gefühls und umgekehrt.
Leider war dann schon Zeit für den Nachtisch, von denen wir 2 drinnen und 2 draußen zu uns genommen haben.
Die ersten beiden waren ein Plättchen aus gesüßtem Muschelsud sowie ein zwischen zwei Karottenkuchen gelegte Scheiben aus Blütenpollen und fermentierten Honig.
Nachdem wir die beiden Nachspeisen genossen haben, wurde abgeräumt und zwei weitere Kunstwerke kamen auf den Tisch.
Zierst einmal eine auf einer Zwiebel angerichteten Zwiebel. Die untere soll man nicht mitessen, wobei es wohl schon einmal passiert ist, dass ein Gast die Erläuterungen nicht abgewartet hat und einfach herzhaft zugebissen hat. Und … überrascht ob des schlechten Geschmacks war. Wenn man nur den dafür vorgesehenen oberen Teil ist, hat man 7 Schichten karamellisierter Zwiebel im Mund, deren Zubereitung uns versucht wurde zu erklären, wir aber beim 5. Schritt schon ausgestiegen sind.
Sehr technisch, genau wie der abschließende Nachtisch. Der von der Entwicklung und der Herstellung der anspruchsvollste ist, den sie laut dem Patissière jemals im KOKS gemacht haben: Ein Cassis-Sponge mit einer Creme aus Rentierblut. Kein Ei, kein andere Bindemittel – die Cremigkeit erhält man nur mit den Eigenschaften des Blutes.
Was für ein Handwerk zum Abschluss.
Dazu dann ein schönen Espresso, verbunden mit dem Angebot, dass wir auch nach oben gehen könnten, um dort den Abend ausklingen zu lassen.
Der Weg führte durch die Küche, wo wir noch die beiden Verantwortlichen für den Nachtisch in den letzten Zügen bewundern konnten.
Als wir oben an kamen, meinte der deutsche Keller nur „Ihr habt euch jetzt zwar die Treppe rauf gequält, aber wollt ihr vielleicht nach draußen? Da ist windstill und ich finde es da eigentlich schöner …“ und wer sind wir denn, den Anweisungen des Fachpersonals nicht Folge zu leisten.
Und wenn man schon an der frischen Luft ist, da ist doch ein geistliches Getränk nicht verkehrt.
Spätestens hier fühlten wir uns so unglaublich entspannt und privilegiert bzw. glücklich so etwas erleben zu dürfen. Und es uns leisten zu können.
Die übrigen Gäste kamen auch mehrheitlich raus und so wurde die kleine Terrasse schon voller, aber alle hatten gute Laune und genossen ihre Zeit für sich oder in angenehmer Konversation mit anderen. Mit einem kanadischen Paar unterhielten wir uns etwas, ignorierten das deutsche Boomer-Paar etwas und quatschen noch was mit den diversen Kellner und Kellerinnen.
Jens gönnte sich dann noch ein Gin & Tonic, wobei das in den G&T gelegte Kraut noch frisch aus dem Kräutergarten gezupft wurde.
Die Stimmung hätte es sicherlich noch zugelassen, dass wir noch länger hier sitzen geblieben wären, aber vermutlich hätten wir der Versuchung nach noch einen Getränk nicht widerstehen können. Und weil das dann einen ansonsten fast perfekten Abend unnötig trüben könnte, gingen wir langsam und vorwiegend schweigend zurück zu unserer Lodge. Wo wir unsere beiden Reisebegleiter gemütlich sitzend vorfanden.
Na da setzten wir uns doch auch noch was hin und schauten dem Meer zu, wie es einfach nur da war.
Und irgendwann, als dann die innere Uhr bemerkte, dass es ja trotz noch hoch stehender Sonne schon 1 Uhr morgens war, gingen wir ins Bettchen.
Wo jeder für sich noch einmal das heute erlebte Revue passieren lies. Ein unglaublich schönes Essen und ein Erlebnis der Kategorie „Once in a lifetime“!