Nun waren wir also in Ilulissat, dem touristischen Zentrum Grönlands, angekommen. Nach dem Transfer und dem Einchecken ins Hotel stand die Frage offen, was wir jetzt machen wollen. In unserer vorgefertigten Route waren ja durchaus einige Touren inkludiert, sodass eigentlich auch nicht mehr viele Lücken waren. Eine der wenigen war aber der erste Nachmittag und da wollten wir uns etwas bewegen.
Ilulissat mit seinen 4.800 Einwohnern hat jetzt nicht furchtbar viel zu bieten und in der Regel nächtigt man hier, um auf die verschiedenen Touren zu gehen. Es gibt allerdings eine Ausnahme und das ist der südlich des Ortes liegende Ilulissat-Eisfjord. Dieser ist seit 2004 UNESCO-Welterbe. Und den wollten wir uns anschauen.
Also kurz im Zimmer ausgeruht, umgezogen (es ist ziemlich kalt) und auf zum Fjord.
Eine der wenigen Straßen entlang ging es in Richtung des Icefjord Centers, einem recht neuen Museum am Rande der UNESCO-Zone. Die Wanderung, die wir uns heute vorgenommen haben, geht durch das Sermermiut Tal, wo schon vor über 4000 Jahren Menschen gesiedelt haben.
Kurz nachdem wir uns auf den Weg gemacht haben, hörten wir schon eine weitere „Attraktion“ von Ilulissat: Hundegeheul!
In der ganzen Stadt gibt es hunderte, wenn nicht sogar tausende von Schlittenhunde, die angekettet auf offenen Wiesen oder neben den Häusern liegen.
Die Tatsache, dass die Hunde ab dem Alter von 6 Monaten angekettet sein müssen, hat einen ernsthaften Grund: Das sind nämlich keine Haustiere, sondern Arbeitstiere. Die man nicht streicheln soll und darf, denn in der Vergangenheit hat es diverse, teils tödliche, Unfälle mit frei herumlaufenden Hunden gegeben. Gerade Kinder wurden von Hunden sehr stark gebissen, sodass seitdem die Regel mit den Ketten gilt.
Auch wenn die vielen kleinen Welpen natürlich schon süß aussehen.
Was uns gleich aufgefallen ist: In Grönland ist es so, dass man seine Sachen einfach irgendwo herumstehen lässt. Das hat zur Folge, dass es generell recht unaufgeräumt aussieht und teilweise auch echt wie auf einer Müllhalde. Später sollten wir erfahren, dass es in der Kultur eben so ist, dass man nichts wegwirft, denn man könnte es ja noch einmal gebrauchen. Muss man sich aber auch erst einmal dran gewöhnen.
Was auch aufgefallen ist, sind die eher praktisch gehaltenen Wohnblöcke.
Auch hierzu sollten wir später erfahren, dass das einen eher traurigen Hintergrund hat, denn in den 70er und 80er Jahren hat die dänische Regierung viele Zwangs-Umsiedlungenen vorgenommen und die vorher in einer Dorfgemeinschaft lebenden Menschen in solche „Wohncontainer“ gezwungen. Damit einhergehend kamen viele soziale Probleme, die teilweise bis heute noch andauern. Genau wie eine gewisse Skepsis gegenüber Fremden und vor allem Dänen. Dazu aber später mehr, denn wir würden noch einen geführten Stadtspaziergang machen und uns mit dem Thema beschäftigen.
Jetzt erst einmal wieder durch die Schlittenhunde.
Einige Hunde hatten ein etwas besseres Areal und teilweise sogar einen Zaun. Wer hier vor wem geschützt werden soll, war aber nicht klar. Wir vermuten, dass der Zaun eher dazu dienen sollte, dass die Hunde nicht von den Touristen gestreichelt werden.
Wie gesagt: Einige sahen aber auch „streichelwürdig“ aus … 😉
Dann aber begann unser eigentlicher Wanderweg rund um das Sermermiut Tal entlang des Ilulissat Eisfjords.
Der Fjord liegt, wie gesagt, südlich von Ilulissat und wird durch den Gletscher Sermeq Kujalleq gespeist. Am Gletscher hat der Fjord noch eine Breite von etwa 10 Kilometern und wird zur Mündung hin immer enger.
Wie beim Flug schon von oben gesehen, ist der Gletscher einer der aktivsten Grönlands und jeden Tag kalben etwa 70 Mio. Tonnen Eis am Gletscher, was etwa 10% der Gesamtmenge Grönlands bedeutet. Der Gletscher wird schon seit langer Zeit beobachtet und kartografiert. 1851 lag die Gletscherkante noch 25 Kilometer von der Mündung entfernt. 1950 waren es bereits 46 Kilometer.
Aufgrund seiner gewaltigen Ausmaße und seiner großen Bedeutung für die Gletscherforschung wurde der Ilulissat-Eisfjord mitsamt dem Gletscher 2004 zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt. Um die Entwicklung und die Erforschung noch besser zu präsentieren wurde das Icefjord Museum erbaut, was architektonisch wunderschön in die Landschaft eingefügt wurde.
Leider würden wir das Museum nicht besuchen können, denn an den Tagen, wo wir es besuchen könnten, hatte es leider geschlossen. Also blieb uns „nur“ noch die Wanderung.
Hier gibt es 3 Wege: Einen kurzen, roten Weg sowie zwei längere Schleifen: Blau und Gelb.
Vor ein paar Wochen waren noch zwei der drei Wege gesperrt, also gingen wir erst einmal den direkten Weg zum Sermermiut Dorf, da dieser über Holzbohlen geführt wurde, die relativ sicher schienen.
Die Grenze der Weltkulturerbe-Zone ist gut erkennbar.
Und die Landschaft danach war der Wahnsinn!
Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr hinaus. Die Gletscher waren riesig, die Bilder können das gar nicht so richtig zeigen, wie es in Echt aussieht.
In der folgenden Bucht wurden die Überbleibsel der Siedlung Sermermiut, was übrigens „Bewohner des Gletschers“ in Grönländisch bedeutet, gefunden. Eine der ältesten Zeugnisse, wo hier Menschen gelebt haben.
Und das unter ständiger Gefahr, denn Eisberge können auch umkippen. Was dann zu tödlichen Flutwellen führen kann. Unter anderem wird vermutet, dass auch die Siedlung Opfer einer solchen Flutwelle geworden ist.
Also aus gebührender Entfernung die riesigen Eisberge beobachten. Wenn die paar Wanderer mal einen Moment ruhig waren, konnte man das Knacken und Knarzen der Eisberge hören, wenn sie gegeneinander krachen oder Teile davon abbrechen. Alles bewegte sich zwar langsam, aber Bewegung war immer zu sehen.
Ein unglaublich beeindruckendes Bild!
Der blaue Weg, den wir bis hierin gegangen waren, war wegen der Holzbohlen recht einfach gewesen. Von der Siedlung ging es ein paar Holztreppen hinauf zu einem weiteren wunderschönen Aussichtspunkt, wo wir 3 Engländer getroffen haben, die mit ihrer Profi-Fotoausrüstung aus dem Knippsen nicht mehr rauskamen.
Aber auch unsere Kamera machte einen guten Job. Zur besseren Einschätzung der Größe der Eisberge kam passenderweise zwischendurch mal ein kleines Motorboot vorbei.
Und das Boot war im Gegensatz zu den Eisbergen echt winzig.
Da es aber etwas zugig war, haben wir uns dann auf den weiteren Weg gemacht. Die meisten sind einfach den Weg zurück gegangen, uns war aber noch nach etwas mehr Bewegung. Also war der Plan den blauen Weg noch etwas weiter zu gehen, bis wir auf den roten Weg stoßen und diesen 1 Kilometer zurück zum Icefjord Center zu gehen. Soweit der Plan.
Die Realität war leider: Der Weg war nicht umsonst vor einigen Wochen noch gesperrt.
War eine ganz schöne Kraxelei.
Aber der Ausblick blieb weiterhin unglaublich beeindruckend.
Die Wegmarkierung waren übrigens die kleinen, blauen Punkte. Teilweise waren sie etwas schwer zu finden und hier und da mussten wir auch wegen größerer Pfützen oder Eisplatten Umwege finden.
Und natürlich mussten wir andauernd anhalten.
Am Anfang war noch ein Paar hinter uns, überholte uns aber relativ schnell. Beide kamen aus Deutschland und so war es unterhaltsam, dass die Frau gefühlt alle 50 Meter fragte „Haben wir nicht den roten Weg übersehen? Sind wir noch richtig? Bist Du sicher?“.
Hatten sie nicht, denn es war doch noch ein ganzes Stück bis zur dezent markierten Abzweigung.
Der rote Weg sollte in einem Kilometer zurück zum Ausgangspunkt führen. Der Kilometer mag im Normalfall auch stimmen, nur mussten wir in einem Zick-Zack Weg zurück gehen, sodass es schon etwas länger wurde.
Aber besser was länger gehen, als am Ende mit nassen Füßen zum Hotel zu gehen. Neben den Pfützen waren die grünen Moos-Flecken nämlich tückisch, denn hier konnte man ohne Probleme bis zur Wade einsinken.
Jens fand aber immer einen sicheren Weg.
OK, bis auf diese Stelle, wo wir, vermutlich zur Belustigung der auf dem Icefjord Center stehenden Menschen, mehrere Versuche brauchten, bis wir einen halbwegs sicheren Übergang fanden.
Aber am Ende der 11 Kilometer waren wir dann trocken und zufrieden wieder auf dem Weg ins Hotel.
Auf dem Weg hatten wir unsere zwei Wasserflaschen zwar gefüllt mitgenommen, aber leider was das Wasser aus dem Hotelzimmer merkbar chloriert, sodass wir nur im Notfall davon was getrunken hatten. Wir hatten also Durst und enterten deswegen einen Supermarkt. Was gar nicht mal so einfach war, denn als Supermarkt war das Dinge nicht direkt zu erkennen und Internet hatten wir auch nicht.
Im Supermarkt trafen wir auf einen Herrn wieder, den wir als Fahrer am Flughafen getroffen hatten und der sich ein bisschen dort mit uns unterhalten hat. Als er uns im Supermarkt wieder erkannte, meinte er „Oh, you just arrived and now you are buying like a local?“. Wir nahmen das als Lob hin und wechselten noch ein paar Worte.
Danach aber zurück ins Hotel (vorbei an 2 weiteren Supermärkten, die jetzt deutlicher zu erkennen waren) und aufs Zimmer.
Geduscht und wieder etwas ausgeruht ging es ans Abendessen, was wir im Hotel-Restaurant einnehmen wollten. Dies war uns vorher schon ans Herz gelegt worden und daher planten wir die meisten unserer Mahlzeiten hier zu verbringen. Das Hotel Icefjord bietet, neben einem wunderschönen Ausblick, auch eine relativ moderne und ambitionierte Küche mit eine recht interessanten Weinkarte. Also genau das, was wir nach einer Wanderung brauchen.
Tartar vom Moschusochsen mit frittierten Kapern und Majo.
Gebeizter Lachs mit Rogen vom Seehasen, Wurzelgemüse und eine Sahne-Meerrettich Sauce.
Heilbutt mit Erbsenpüree und Muschel-Sud.
Rentier mit roter Beete und Blumenkohl.
Und dazu ein Kölsch! Ja wirklich, hier gibt es Kölsch von einer grönländischen Brauerei. Genau das, was wir in Kangerlussuaq noch verpasst hatten, konnten wir hier nachholen.
Und so endete der erste Tag in Grönland mit einem Bier auf dem Balkon unseres Zimmers.
00:23 Uhr, die Sonne am Himmel und dieser Blick. Was für ein fantastisches Land, was für ein fantastischer Beginn unseres Abenteuers hier!