Nun sind wir also in München – eigentlich um ein paar Freunde zu treffen und ein schönes, langes Wochenende zu haben.
Wenn man aber nun einmal als Gourmet-affine Leute in München ist, versucht man ja halt auch mal was Gourmet-artiges zu finden. Was uns gelang. In einem Restaurant, was ohne Übertreibung als eines der wichtigsten und für die deutsche Gourmet-Szene prägendsten Restaurants des Landes gilt: Dem Tantris in München!
Das Tantris wurde 1971 eröffnet, wird seit 1974 mit mindestens zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet und zählt seitdem eigentlich immer zu den 15 besten Restaurants Deutschlands.
1971 war der heute als „Grand Senior“ der deutschen Gourmet-Szene bezeichnete und 1994 zum „Koch des Jahrhunderts“ ausgezeichnete Eckart Witzigmann der erste Küchenchef. Vorher kochte er in den USA für eine kleinen Familienclan namens Kennedy. Er erkochte 1973 den ersten und 1974 gleich den zweiten Stern – damals die höchste in Deutschland erreichte Auszeichnung.
1978 wurde Eckart Witzigmann durch Heinz Winkler abgelöst, unter dem dann 1981 das Tantris sogar als zweites deutsches Restaurant mit drei Michelinsternen ausgezeichnet wurde.
Von 1991 bis 2020 war der ebenfalls berühmte Hans Haas Küchenchef und nach einer Renovierung 2021 wurde dann im Oktober 2021 der in Ottawa geborene Benjamin Chmura der Boss im Hauptrestaurant. Neben dem Tantris gibt es seitdem auch das „Tantris DNA“ unter der Leitung der Französin Virginie Protat, wo die französischen Klassiker aus dem Tantris gekocht werden. Auch das Tantris DNA hat seit 2022 einen Stern.
Das Tantris kann ohne Übertreibung als einer der Geburtsorte der deutschen Gourmet-Gastronomie angesehen werden.
Auch das Gebäude an sich ist sehenswert und wurde vom Bauunternehmer und Gourmet Fritz Eichbauer gebaut worden. Die Architektur wurde vom Architekten Justus Dahinden geplant, die Beton-Skulpturen stammen vom Schweizer Künstler Bruno Weber. Der Sohn des Gründers, Felix Eichbauer, ist seit 2006 Geschäftsführer des Tantris.
2012 wurde der Bau unter Denkmalschutz gestellt. Und im Oktober 2019 wurde dann bekannt, dass die Sanierung des Gebäudes fast 10 Millionen Euro erfordert und der Fortbestand des Restaurants fraglich ist. Das Geld scheint aber dann zusammengekommen zu sein, denn von Ende 2020 bis Oktober 2021 wurde das Restaurant renoviert.
Vor dem Gebäude, passend für diesen Ort, die Handabdrücke von allen ehemaligen Küchenchefs und von Paul Borcuse.
Beim Eintreten in den Gourmet-Tempel wurden noch letzte organisatorische Dinge beim Personal geklärt, weswegen wir an die legendäre Bar gebeten werden. Wo wir dann einen sehr guten Rose-Champagner bestellt haben, wobei Jens … etwas durch die Whisky-Auswahl abgelenkt war. Was auch dem Barkeeper aufgefallen ist, was später noch Folgen haben sollte.
Dazu dann der erste Gruß aus der Küche: Gougères au Comté. Frisch aus dem Ofen, knusperig, viel Butter, Käse. Wir mussten echt aufpassen alles mit einem Happs zu verschlingen.
Das Interieur ist modern aber immer noch im Design aus der Gründung des Restaurants: „Rot wir Hummer, Schwarz wie Trüffel“. Und in eine taktisch schöne Ecke an der orangenen Plüsch-Wand (ja, wirklich Plüsch!) wurden wir platziert und konnten so das Treiben im Restaurant schön beobachten.
Die anderen Gäste variierten von Gourmets in gehobener Garderobe über regelmäßig hier essende Gäste zu einem Paar, was anscheinend zum ersten Mal in so einem Gourmetrestaurant war und alles mit fast schon kindlicher Freude entdeckte. Auch ein leider „Ich sitze am Tisch, rede nicht, ernähre mich hier einfach, zeige keine Emotion und sehe so aus, als ob ich kein Spaß habe!“-Paar war da, die fallen uns irgendwie immer auf. War uns aber egal, denn wir tendieren ja auch immer noch zu dieser kindlichen Freude bei den an den Tisch gebrachten Tellern und haben immer noch Spaß an den von den Köchen gezauberten Gängen.
Apropos „Gänge“, aus dem Nichts tauchten 4 kleine weitere Grüße an unserem Tisch auf.
Beeindruckend: Ein Rote-Bete-Chip mit Frischkäse, Ingwer und Dill – filigran und handwerklich wirklich krass gut!
Pilz-Taco, eine Umami-Bombe, die sogar von Jens gegessen wurde. Etwas zu erdig für unserem Geschmack, aber in der Kombination der 4 kleinen „Snacks“ (eigentlich ein völlig unpassender Name ob der Kunst, die hier geboten wurde) wiederum sehr passend.
Knusperrolle aus Kürbis mit Gorgonzola, sehr ungewöhnliche Süße trotz der Blauschimmelwürze.
Und zuletzt eine Polenta-Tartelette mit Sauerampfer. Die hat uns irgendwie am besten geschmeckt, was allerdings nicht bedeuten soll, dass der Rest auch nur annähernd schlecht gewesen wäre.
Alleine diese 4 Teller waren sehr fein, sehr gut abgestimmt und boten gemeinsam eine sehr spannende Reise durch verschiedene Aromen. Spätestens jetzt waren wir sicher, dass wir heute Abend unseren Spaß haben werden.
Das letzte Amuse Bouche war eine Entenleber-Terrine mit Feigenmarmelade und einem Spekulatius-Rahmen. Passend für den Dezember ein sehr weihnachtlicher Teller – sehr passend und auch schön anzusehen.
Der erster Gang war Krebsfleisch mit Kaviar und Koshihikari-Reis (ja, uns interessieren auch schon die Reissorten!) und einem schönen Schaum. Das Ganze in einer Karkasse von einem Taschenkrebs, was natürlich sehr passend ist.
Was von außen einfach aussieht, wird bei genauem Hinsehen … etwas komplexer.
An dieser Stelle waren wir froh über unser Brot, denn die Sauce verlangte danach, dass man alles aufsog.
2 Gang und einer unserer Favoriten: Perfekt gegarte Sepia zu einer Tagliatelle geschnitten. Dazu eine Sauce aus Sepia-Tinte, Weißwein, Ingwer und Zitrone. Süß, zitronig, kräftig, würzig aber dennoch delikat und fein. Sa-gen-haft!
Der nächste Gang zeigte dann die Detailverliebtheit der Küche: Jakobsmuscheln mit Trüffelscheiben gespickt aneinander gereiht und auf ein Wirsingblatt gelegt. Eine sehr kräftige, reichhaltige Vin Jaune und eine Nocke einer Trüffelcreme runden das Ganze ab.
Was für eine Technik, die einzelnen Komponenten trotzdem für sich schmackhaft und gemeinsam eine wunderbar runde Aromenwelt im Mund. Auch hier sagenhaft und wirklich alleine schon eine Reise wert.
Das restliche Restaurant war inzwischen voll besetzt. Einige Tische waren dabei etwas lauter und einige Tische waren etwas eingebildet und man konnte quasi die hochgezogenen Nasen sehen. Uns war das egal, denn wir hatte Spaß. Dazu trug aber auch das sehr freundliche und professionelle Personal bei, mit dem wir hier und da auch über Details quatschen konnten. Bei einem Gang kam dann auch Chef Chimura raus und erklärte uns die Technik und die Idee hinter diesem erklärte.
Ach so: Die Weinbegleitung war auch grandios und jeder Gang wurde vom Sommelier Nicolas Spanier oder seinen KollegInnen angenehm erläutert. Dabei kamen wir natürlich auch ins Gespräch, was für uns auch zu so einem Essen gehört. Auch wenn wir oftmals zu viele Fragen stellen, aber da müssen die Angestellten durch. Wobei wir hier einen Kellner hatten, der uns Fragen gestellt hat, nämlich wo er denn her käme. Zuerst waren wir zwar auf der richtigen Fährte, haben uns dann aber nicht getraut und auf Korea getippt. Obwohl er schon so aussah wie viele Menschen, die wir in Bhutan gesehen haben. Wäre auch die bessere Idee gewesen, denn der Herr kam aus Nepal und lebte seit erst 1 1/2 Jahren in Deutschland. Und arbeitet jetzt als Kellner in einem Gourmet-Restaurant – Respekt dafür!
Respekt gab es dann auch für den nächsten Gang: Eine mit einer Pilzmousse gefüllte Tasche, die zeigt, dass auch ein vegetarischer Gang kreativ und sehr lecker sein kann.
Dazu eine Brühe, die ebenfalls voller Umami war und uns auf den Hauptgang vorbereitet hat.
Der folgte dann nämlich mit einem fantastischen Stück Lamm (wir vermuten Poltinger, aber nur, weil das der einzige Lamm-Händler ist, den wir kennen) mit passenden Herbst-Beilagen.
Die Farbe vom mit einem Netz umwickelten und leicht gesalzenen Fleisch war der Hammer.
Danach sind unsere Notizen etwas dünn geworden, denn die beiden Nachtische haben wir nur krakelig notiert. Was aber auch hier zu sehen ist: Detailverliebtheit und Kreativität auch in der Patesserie.
Abschluss waren ein paar Petit Four, die es zum Kaffee gab.
Oh und Barkeeper sowie Sommelier haben sich an Whisky-Fan Jens erinnert, was sich einerseits mit einem spannenden japanischen Whisky zeigte …
… und andererseits mit dem Austausch zweier Adressen für weiteren Whisky-Konsum. Und wenn einem der Sommelier eines Restaurants wie dem Tantris eine Kneipe empfiehlt, dann heißt das schon was.
Heute würden wir aber nichts mehr machen, denn das würde alles diesen sehr spannenden und wohlschmeckenden Abend im Zweifelsfall negativ belasten. Das Tantris macht kein Hehl daraus, dass man sich klar ist, was man für eine Geschichte und Bedeutung hat. In jeder Interaktion, in jedem Gericht und in allen anderen Dingen wird man daran erinnert, wer hier schon gekocht und wer hier gegessen hat. Neben dieser fast schon Angeberei ist aber das super sympathische Personal vom Empfang bis zum Abschied sowie die moderne Küche quasi der Gegenpol zu dieser Fokussierung auf die Historie, denn das ist neu, frisch, kreativ und daher jedes Lob wert.
Ach so: Unser Wunsch nach einem Taxi zum Hotel würde so beantwortet, dass der Herr Soundso (Namen leider vergessen) und selbstverständlich im Elektro-BMW fährt. Kostenlos.
Klare Empfehlung für jeden mit einem Faible für hohe Gourmet-Kunst gepaart mit einem architektonischen Gruß aus den 70er Jahren!