Aufgrund der doch nicht wenigen Biere gestern Abend wurde es heute etwas später mit der Abfahrt. Frühstück hatten wir nur ein recht schnelles und dann ging es auch wieder rein in die wunderschöne und unberührte Natur der Westfjorde.
Unsere heutige Strecke führte über die Hauptstraßen 60 (Vestfjarðavegur) und 62 (Barðastrandarvegur) von Ísafjörður nach Patreksfjörður am süd-westlichen Zipfel der Westfjorde. Rein von den Kilometern her, sollte es eine eher kurze Strecke sein (150 Kilometer), allerdings wissen wir ja, wie das hier so läuft.
Von Isafjördur ging es dann aus dem kleinen Ortskern hinaus in Richtung Süd-West um dann gleich auf mehr oder weniger ein erstes Highlight zu treffen: Den längsten Tunnel Islands!
Der Vestfjarðagöng, oft auch Breiðadals-og-Botnsheiðar-Tunnel genannt, wurde zwischen 1991 und 1995 gebaut und ist mit insgesamt 9120 Metern der längste zusammenhängende Tunnel der Insel. Spannend ist es insofern hier, als das es eine Kreuzung im Tunnel gibt. Das Ding hat also 3 Ein-/Ausfahrten. Nur der Teil von Isafjördur bis zur Kreuzung ist zweispurig, der Rest ist einspurig und alle 100 Metern gibt es solche Ausweichbuchten. Was die Durchfahrt spannend macht, denn den Gegenverkehr hier einzuschätzen ist für uns noch immer etwas Glückssache.
Pro Tag fahren hier übrigens knapp 800 Fahrzeuge durch – wir haben davon gefühlt einige schon abgearbeitet bei unserer Durchfahrt.
Am südlichen Ende des Tunnels wartete schon der Önundarfjord auf uns. Und auch das Wetter war einigermaßen.
Kurz danach fuhren wir dann noch tatsächlich der neueste Tunnel Islands, den 2020 eröffneten Dyrafjardargöng. Es ist immer wieder spannend, wie neu es doch hier in dieser Region ist, dass man die Orte, die wir ansteuern, mit dem Auto mehr oder weniger das ganze Jahr erreichen kann. Vor diesem Tunnel beispielsweise war es tatsächlich so, dass die 28 Kilometer lange Passstraße mit Schneehöhen über 20 Metern sowas von nicht passierbar war und somit die kleinen Dörfer abgeschnitten waren.
Nachdem wir bei Hvammur den Fjord überquert hatten, ging es wieder über einen kleinen Pass zum nächsten Fjord, dem Dynjandifjörður, einem Seitenarm des großen Arnarfjörður. Und an dem Ende dieses Seitenarms sahen wir schon aus der Ferne einen Wasserfall.
Einen, wenn man sich die Relationen anschaut, recht großen Wasserfall: Dem Dynjandi. Der stand auch auf unserem Plan und da wollten wir hin.
Da das Wetter, bis auf den schon recht starken Wind, einigermaßen stabil aussah, folgten wir unserem Plan.
Im Lonely Planet wurde der Weg zum Wasserfall als „schlechte Straße zu einem provisorischen Parkplatz“ bezeichnet. Das mit der Straße stimmte, der Parkplatz war aber moderner als die meisten deutschen Autobahnraststätten.
Unser Ziel war aber nicht der schöne Parkplatz, sondern der Wasserfall.
„Dynjandi“ bedeutet auf Isländisch so etwas wie „der Dröhnende“ oder „der Tobende“. Angesichts der Höhe, von der das Wasser über insgesamt 6 Wasserfälle hinunter zum Fjord stürzt, auch nicht verwunderlich, dass hier dieser Name gewählt wurde. Ein kleiner, am Anfang noch gut ausgebauter, Wanderweg führte vom Parkplatz hinauf zum Fuß des Wasserfalls.
So ab dem 3. Wasserfall wird aus dem mit Pflastersteinen ausgebautem Weg ein kleiner Trampelpfad mit einigen größeren Steinen im Weg. Wir hatten das Glück, dass wir fast alleine waren und somit nur das Tosen des Wasserfalls hörten. Und unser Schnaufen, weil es doch etwas anstrengend war.
Aber es lohnt sich, denn der Dynjandi (seit 1981 ein geschützter Naturpark) stürzt hier aus knapp 100 Metern Höhe in mehreren Stufen zu Tal. Oben ist der Fluss 30 Meter breit und er fächert sich auf die doppelte Breite unten auf.
Ein echt wunderschönes Naturschauspiel und wir schämen uns nicht zu sagen, dass wir hier sehr, sehr, sehr viele Fotos gemacht haben. Und ein paar davon wurden echt gut.
Auch wenn man manches Mal Angst um die Fotografin haben musste
Und auch wenn sich vorsichtige Fotografen oftmals ins Bild geschlichen haben.
Und man muss sich vor Augen führen, dass solche Wasserfälle hier oft im Winter nur die Hälfte des Wassers führen als im Sommer. Aber wir fanden es so auch schon ein Highlight des Urlaubs. Wirklich sehr, sehr schön!
Obwohl wir ja hier und da blauen Himmel hatten, kamen die Wolken aus dem Fjord doch schon recht schnell näher. Und der starke Wind machte es jetzt auch nicht angenehmer, also traten wir den Rückzug an und gingen langsam wieder zurück zum Auto.
Die nächste Zeit ging es dann einen kleinen Pass hinauf und das weiterhin auf den berühmt, berüchtigen „Gravel Roads“.
Im Auto vor uns saßen 2 Damen aus Deutschland, die wir am Abend noch im Hotel sehen würden. Den Rest der Strecke heute würden wir uns ab jetzt immer wieder gegenseitig überholen, denn die Taktik „Anhalten, wenn man was schönes sieht“ hatten die beiden auch.
War aber auch schön hier.
Die Hauptstraße 60, auf der der jetzt die ganze Zeit fahren, ist die einzige Straße, die den Norden mit dem Süden der Westfjorde verbindet. Was es um so erstaunlicher macht, dass sie die meiste Zeit tatsächlich nicht asphaltiert war, wie diese Grafik von road.is zeigt:
Generell gibt es einige Bestrebungen diese Straße qualitativ zu verbessern und längere Strecken wenigstens etwas zu verbessern. Hier ändert sich die Situation auch recht schnell, insofern sind Informationen im Internet auch in der Regel nicht aktuell.
Heute war es auch nicht so schlimm, denn wir hatten Zeit, konnten viel links und rechts der Strecke anschauen und das Wetter war ganz ok.
OK, manche Schlaglöcher waren jetzt überraschend und nur selten mit Warnbarken markiert. Aber wenn man eh nur 50 – 60 km/h fährt, dann kann man das auch aushalten.
Irgendwie fühlten wir uns von den Straßenverhältnissen tatsächlich an Bhutan erinnert. Nur, dass es hier eben kalt und windig war. Aber, im Gegensatz zu Bhutan, konnten wir hier auch Berge sehen.
Information am Rande: Die Straßen hier sind bei Schneefall oft unpassierbar. Geräumt wird hier nur alle paar Tage, wir haben irgendwo gelesen, dass Montags, Mittwochs und Freitags ein (!) Räumfahrzeug die ganze Strecke abfährt. Diese Strecke ist laut guidetoiceland.is eine der Strecken, auf der Touristen am häufigsten verunfallen oder ihren Urlaub umplanen müssen, weil eben alles gesperrt ist.
Hier zu leben können wir uns nur schwerlich vorstellen, dafür ist es augenscheinlich ein zu hartes Leben. Aber für einen Urlaub schon spannend hier zu sein.
In Floraundur kamen wir dann auf die Hauptstraße 62 welche wir dann bis zu unserem heutigen Ziel in Patreksfjördur folgen werden. Der letzte Teil der 60 wurde gerade neu gebaut als wir da waren – mal schauen, wie es hier in ein paar Jahren aussieht.
Unsere Strecke führte jetzt mehr oder weniger an der Südküste der Westfjorde entlang. Die Gegend hier wird Barðaströnd genannt und hat hier und da ein paar schön gelegene Farmen.
Eine davon ist der Bauernhof Brjánslækur, welcher insofern interessant ist, da hier auch ein Fährhafen liegt. Den wollten wir uns mal anschauen, denn die Fährverbindung von Brjánslækur ins südlich gelegene Stykkishólmur auf der Halbinsel Snæfellsnes – unserem morgigen Ziel.
Einen Fährhafen hatten wir uns echt anders vorgestellt.
Da die Fährfahrt leider nur spät am Abend von hier nach Süden ablegt, war das dann aber leider keine Alternative. Heute sollte es auch erst einmal weiter gen Westen gehen.
Wobei es zwischendurch auch noch einmal bergauf über die Keifaheidi ging, eine Passstraße auf 404 Metern. Aber das Wetter blieb auch den Rest des Tages stabil und nur noch leicht windig. Was die Schafe weniger störte als uns in unserem Kia.
Wir stark die Windböen hier waren kann man etwas an den Spritzern auf dem Wasser erkennen. Teilweise war es schon sinnvoll auf der Mitte der Straße zu fahren, sollte uns eine Böe erwischen.
Landschaftlich aber wunderschön hier.
Und so kamen wir dann auch an unserem heutigen Ziel an: Dem Fosshotel Westfjords in Patreksfjördur.
Als Bonus kam sogar die Sonne heraus, als wir auf dem fast leeren Parkplatz unser Auto abgestellt haben.
Im Hotel dann mussten wir leider feststellen, dass im Ort quasi nichts mehr auf hatte. Die einzige Lokalität war tatsächlich das hoteleigene Restaurant. Also wurden heute Abend auch keine Heldentaten mehr verbracht und das einfache, aber ganz gute Essen des Hotels inklusive dem auf Island am häufigsten anzutreffenden Lagerbier genossen.
Pluspunkte für die Aussicht von unserem Tisch aus.
Hier trafen wir übrigens, neben einer merkwürdigen Gruppe von 2 jungen Damen aus Irland und einem älteren Isländer, noch das Paar aus Montreal (vom Essen in Isafjördur) und die beiden Deutschen aus dem Auto am Dynjandi.
Später am Abend sind wir dann tatsächlich noch einmal raus. Grund war einer der seltenen Alarme auf unserer Auora-App, welche für den aktuellen Ort eine recht hohe Chance auf Nordlichter meldete. Also raus aus dem Schlafanzug, rein in die Jeans und ab nach draußen.
Leider hatte die strategisch schlecht platzierte Wolkendecke und der dann bald aufgehende Vollmond etwas dagegen, dass wir Nordlichter sehen konnte. Aber wir schauen mal, was die nächsten Tage so passiert.
Neben den Meldungen der Aurora App gab es aber noch direktere Probleme, denn die Wetter-Warnmeldungen nahmen langsam zu und wurden eindringlicher.
Also planten wir für morgen, wenn es die 370 Kilometer von den Westfjorden auf die Halbinsel Snæfellsnes weiter im Süden geht, noch mehr Zeit ein und stellten den Wecker was früher. Mal schauen, wie das wird.