Nach einer erholsamen Nacht und einem herzhaften Frühstück ging es dann los: Unsere erste mehrtägige Radtour steht an.
Die erste Etappe geht von Donauwörth-Wörnitzstein über Donauwörth (ab dort folgen wir dem Donau-Radweg) und kleinere Ausläufer der fränkischen Alp nach Ingolstadt. Gemäß der Wegbeschreibung sollen dies knappe 60 Kilometer sein.
Unsere Räder standen im Schuppen neben dem Hotel bereit und waren mit einer Lenkertasche und einer Satteltasche versehen. Ein Reperaturset und 2 Ersatzschläuche waren auch dabei. Unsere Helme haben wir von zu Hause mitgebracht, genauso wie die Handschuhe.
An den Rädern haben wir nur noch kurz Sattel und Lenker eingestellt und ab ging es.
Die ersten 6 Kilometer gingen an der Wörnitz entlang. Sehr schön und es war noch etwas kühl, weswegen die Bewegung gut getan hat und für innere Wärme sorgte.
In Donauwörth verläuft die Route entlang einer ehemaligen Eisenbahnstrecke. Inklusive einem umgebauten Tunnel, der zu 20% den Radfahrern und 80% dem Trachtenverein gewidmet ist.
Donauwörth, ein Ort der vor allem durch seine strategisch günstigen Lage an der Donau (hier gab es eine Brücke) Bedeutung erlangt hat, sieht sehr schön aus. Leider hatten wir ja ein Hotel in einem entfernten Vorort, weswegen wir hier nur durchgefahren sind.
Und Fotos gemacht haben. Nicht nur von uns selber.
Zum Thema „Streckenlänge“: Ja, die Etappe wurde mit ca. 60 Kilometern angegeben. Das stimmte auch. Was da aber noch hinzu kommt, ist der Weg von Wörnitzstein nach Donauwörth (6 Kilometer). Und leider haben wir auch, es war halt noch früh, in Donauwörth das Kunststück vollbracht, der Donau in die falsche Richtung zu folgen. OK, wir habe sie auch erst spät gesehen und waren vom Airbus-Werk in Donauwörth abgelenkt (Helikopter wurden gerade getestet). Aber auch das waren noch 4-5 Kilometer extra. In Summe sollten das heute etwa 75 Kilometer werden.
Auch wurde ja erwähnt, dass es hier Ausläufer der fränkischen Alp gibt. Bedeutet: Eben war die Route jetzt nicht so ganz. Und gerade am Anfang waren zwei, drei langgezogene Anstiege dabei, die uns untrainierte Radler ins Schwitzen brachten. Glücklicherweise gab es ab und zu eine Bank, wo man sich kurz ausruhen konnte.
Was uns hier schon extrem aufgefallen ist: Sehr, sehr viele E-Bikes unterwegs hier. Gerade ältere Semester ziehen an einem vorbei und man merkt erst kurz danach, dass da mit starker Unterstützung gefahren wurde. Jeder wie er will, aber an so mancher Stelle haben wir uns auch einen Motor gewünscht.
Der Radweg geht auf dieser Etappe dann nach einer Weile doch näher an die Donau ran. Vorzugsweise auf einen der Dämme, die die Donau bei Hochwasser davon abhalten soll, in die nahen Häuser reinzuschauen. Auf diesen Dämmen war der Weg auch nur eine Schotterpiste, was wir am Ende dieser Etappe verfluchen sollten. Unsere Räder hatten keine Dämmung und unsere Hintern leider auch nicht.
Bei der Durchfahrt in einem Ort hatten wir an einem Haus die Markierungen gesehen, wie hoch hier ein Hochwasser steigen kann bzw. gestiegen ist. 1989 wäre es über unsere Helme gegangen, was die vielen Polder-Werke erklärt, über die das Hochwasser auf freie Felder abgeleitet werden kann. Gerade im Hochwasserschutz wurde hier viel gebaut.
Ein größerer Ort auf dem Weg war Neuburg an der Donau. Vor der Durchfahrt durch den Ort hatten wir es uns auf einer Bank gemütlich gemacht und die letzten Reste unserer Wasserflaschen ausgetrunken.
Unsere Idee war nämlich: Den nächsten Biergarten ansteuern und dort Pause machen. Und dabei eine Schorle oder ein alkoholfreies Weissbier zu trinken (Don´t drink and drive the Donau-Radweg!). Alternativ einen Supermarkt oder einen Kiosk finden und dort was einkaufen.
Der Plan war gut, hatten wir doch am Anfang quasi alle 10 Minuten einen Biergarten gesehen. Allerdings scheint die Region rund um Neuburg Biergarten-freie Zone zu sein. Bzw. am Radweg dürfen keine gebaut werden.
Wir liefen also langsam trocken – so trocken, dass wir tatsächlich an einer Universität angehalten haben, um dort zu fragen, ob man dort Getränke kaufen kann. Konnte man nicht. War aber eine sehr schöne Außenstelle der Katholischen Universität Ingolstadt, das Jagdschloss Grünau.
Während Meike auf die Jagd nach Getränke geschickt wurde, bildeten sich bei Jens folgende Worte im Hirn: „Auenland! Beutlin!“ Keine Ahnung wieso.
Die Gegend um das Jagdschloss gehört zum größten zusammenhängenden Auenland Europas und es gibt dort sehr viele Wanderwege oder auch einen „Natur-Erlebnispfad“. Hätten wir nicht wirklich extrem viel Durst gehabt, wir hätten es besser zu schätzen gewusst.
Eine kurze Suche bei Google führte uns zu einem nahen Dorfladen, wo wir Wasser und Cola (Zucker war jetzt auch dringend nötig) kaufen konnten und so wenigstens ein paar Meter weiter „überlebten“.
OK, so dramatisch war es dann nicht, aber 75 Kilometer (die es am Ende wurden) waren für uns doch an der Grenze. Besonders für die Knie (die langsam schmerzten) und den Hintern (der nicht mehr sitzen konnte). Kurz vor Ingolstadt musste dann auch noch eine kreative Pause eingelegt werden. Auf dem unglaublich bequemen Deich, weil selbst ein Ameisenhaufen war zu dem Zeitpunkt bequemer als der Sattel.
In Ingolstadt mussten wir auch noch vom Radweg durch die Fußgängerzone (super, wenn man dehydriert, hungrig, mit schmerzendem Hintern und generell mies drauf ist) zum Hotel fahren. Was wir aber immerhin auf Anhieb gefunden haben – mit dem Karten-Lesen war es ja heute morgen noch nicht so dolle.
Am Ende waren wir zwar schon stolz auf die Leistung, aber im Moment war der Preis zu hoch.
Einchecken ins Hotel klappte ohne Probleme, dann aber der Schreck: Unsere Koffer waren noch nicht da! Der Anbieter garantiert eine Lieferung bis 18 Uhr und wir waren um 16 Uhr da – also hätte man es erwarten können. Zusätzlich gab es auch den Hinweis einen Satz neue Klamotten einzupacken, sollten sich die Koffer verspäten. Neben der Karte hätten wir also noch andere Dinge besser lesen sollen.
Am Ende klappte es aber alles, die Koffer kamen noch rechtzeitig, sodass wir unsere Restaurant-Reservierung um 19:00 wahrnehmen konnten.
Das Abendessen würden wir in dem Restaurant „Schanzer Rutschen“ einnehmen, was ein kurzen Fußmarsch durch Ingolstadt entfernt ist. Was ein sehr schönes Örtchen ist, was wir so gesehen haben.
In Ingolstadt wurde 1516 das bayrische Reinheitsgebot verkündet, welches die erste Lebensmittelverordnung der Welt darstellte. Wer Meike und Jens kennt: Bei denen erfahrt ihr mehr darüber.
Viele Gaststätten und Biergärten in Ingolstadt kokettieren mit der Geschichte und so hat hier jeder irgendwas mit dem Reinheitsgebot zu tun. Wir sind ja nicht so die großen Fans des Reinheitsgebots in der Neuzeit, so viel Sinn es auch 1516 gemacht haben mag.
Für den heutigen Abend hatten wir im Voraus die Schanzer Ruschen ausgesucht. Einerseits wegen der guten und interessanten Speisekarte, andererseits wegen der Rutsche. Ja genau: Einer Rutsche!
Diese führt vom ebenerdigen Eingang in das im Keller gelegene Restaurant. Unsere Po-Situation lies uns tatsächlich die Treppe nehmen. Was uns zum folgenden Schild führte.
Ja, hier wurde am Eingang die Temperatur genommen. Bei uns war, trotz einem deutlich sichtbaren Sonnenbrand bei Jens, alles ok und so konnten wir unseren reservierten Platz einnehmen. Im Ausschank: das lokale Herrenbräu aus Ingolstadt – eine gute, lokale Brauerei.
Warum nennt man die Ingolstädter eigentlichlich „Schanzer“? Der FC Ingolstadt wird ja auch so genannt und das Lokal trug auch den Namen.
Im letzten Jahrhundert hat man noch gerne einen Beinamen – manchmal auch einen Spottnamen – für die Bewohner benachbarter Gemeinden benutzt. Diese Scherznamen bezogen sich auf Ereignisse in weit zurück liegender Vergangenheit oder auf örtliche Gegebenheiten. Heute gibt es das noch für Kennzeichen wie „BB“ (Bad Bräsig), „BM“ (Bereifte Mörder) oder „SU“ (Suche Unfall). Die Ingolstädter werden seit einem Jahrhundert als „Schanzer“ bezeichnet, was seinen Ursprung darin hat, dass Ingolstadt Bayerische Landesfestung war.
Ingolstadt, die ehemalige Herzogs-Residenz und Sitz der bayerischen Landesuniversität, erfuhr im 19. Jahrhundert eine weitere Aufwertung als sie Garnisionsstadt wurde. Gewaltige Wälle wurden aufgeworfen, Mauern und Basteien aus Ziegeln und Kalkstein errichtet – diese wurden auch als „Schanz“ bezeichnet. Viele Menschen fanden jahrzehntelang Arbeit und Brot. Auch die Bauern der Umgebung wurden zu Schanzdiensten verpflichtet, dafür durften sie im Kriegsfall in die schützenden Mauern der Festung flüchten. So bedeutend war die Festung, dass die Franzosen unter Napoleon sie verfallen ließen. König Ludwig I. ließ die Festung dann Mitte des 19. Jhs wieder errichten.
Und wenn man früher irgendwo in Bayern gesagt hatte, dass man aus Ingolstadt sei, wurde man gleich als Schanzer begrüßt, denn viele der Männer im Land hatten einen Teil ihrer Militärzeit in dieser Stadt und damit „in der Schanz der Stadt“ verbracht und sie in deutlicher Erinnerung behalten.
Was die Schanzer heute noch können: Essen! So zum Beispiel dieses Ochsen-Steak.
Generell gutes Essen und gute Biere. Im relativ leeren Restaurant waren neben uns nur noch Leute von Audi oder anderen Auto-Zulieferern, was man an den Gesprächen recht gut erkennen konnte. Aber alles gut!
Der Humor der Inhaber traf übrigens auch unseren Nerv.
Also eine Empfehlung und dies nicht nur wegen der gut gepolsterten Stühlen, die unseren geschundenen Hintern über das Abendessen geholfen haben.
Und Nein: Auch auf dem Weg zurück haben wir die Rutsche nicht genutzt. Auch nicht hinauf.
Obwohl: Verlockend war es dennoch …
Ingolstadt scheint uns eine schöne Stadt zu sein, nur unsere körperliche Verfassung lies nicht mehr Sightseeing zu.
Also ab in die Falle – morgen stehen erneut ein paar Kilometer auf dem Programm …